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Mo, 11:16 Uhr
27.07.2015
Gefahr der Entmachtung

Die Politik der gespaltenen Zunge

Ein vertrauliches Regierungsprotokoll über die TTIP-Verhandlungen zeigt: Trotz anders lautender öffentlicher Beteuerungen fürchtet die Bundesregierung, dass durch das geplante Freihandelsabkommen weitreichende Regulierungsvorhaben in Zukunft ohne parlamentarische Zustimmung beschlossen werden könnten...


Zwar versichert die Bundesregierung offiziell stets, bei der sogenannten „regulatorischen Kooperation“ zwischen EU und USA würden das Europäische Parlament und nationale Parlamente eingebunden - intern warnen Regierungsvertreter aber davor, dass die Abgeordnete bei wichtigen Fragen zukünftig außen vor bleiben könnten.

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Dies belegt ein vertraulicher Bericht eines deutschen Regierungsmitarbeiters für das Bundeswirtschaftsministerium über ein Treffen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Kommissionsvertretern im Januar 2015, den das Recherchebüro Correctiv veröffentlicht hat. Die Verbraucherorganisation foodwatch hatte Anfang Juli bereits eine Analyse der Universität Göttingen veröffentlicht, in der fehlende Mitbestimmungsrechte der EU-Abgeordneten nach Abschluss des TTIP-Abkommens kritisiert wurden.

"Die Bundesregierung verspricht Wachstum und Wohlstand durch TTIP - und verschweigt die Bedrohung für die Demokratie. Ohne jede parlamentarische Kontrolle könnten Technokraten und Beamte in Zukunft über weitreichende Regulierungsvorhaben entscheiden: Das ist die reale Gefahr des transatlantischen Freihandelsabkommens, über die die TTIP-Befürworter öffentlich nicht sprechen", sagte Lena Blanken, Volkswirtin bei der Verbraucherorganisation foodwatch.

Bei der "regulatorischen Kooperation" sollen im Rahmen von TTIP Regulierungsvorhaben auf beiden Seiten des Atlantiks abgestimmt werden - inwiefern dabei die Parlamente eingebunden werden, ist aber offen. Zwar müsste zumindest das Europäische Parlament ein einziges Mal seine Zustimmung zu dem fertig ausgehandelten TTIP-Vertrag geben. TTIP ist jedoch als ein so genanntes "living agreement" geplant, welches zwischen EU und USA stetig weiterentwickelt werden soll. In Expertenausschüssen (wie dem Rat für regulatorische Kooperation - Regulatory Cooperation Body, RCB und dem Joint Ministerial Body, JMB) könnten somit weitreichende Ergänzungen und Änderungen an dem Vertragswerk vorgenommen werden, ohne dass die Abgeordneten zustimmen müssten.

Öffentlich hat die Bundesregierung diese Gefahr mangelnder parlamentarischer Kontrolle immer abgestritten. Regulatorische Kooperation sei lediglich ein "Austausch zwischen Regulierungsbehörden" hieß es beispielsweise in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag. Die Entscheidungshoheit des Gesetzgebers dürfe "nicht beeinträchtigt werden", so das Bundeswirtschaftsministerium. In dem nun geleakten vertraulichen Bericht über die Verhandlungen zeigt sich aber ein anderes Bild: Dem vertraulichen Protokoll zufolge warnte die Bundesregierung explizit davor, dass ein Regulierungsausschuss "seinerseits Annexe [zum TTIP-Vertrag; Anmerkung foodwatch] ändern und hinzufügen und sonstige Entscheidungen treffen solle".

Weiter heißt es in dem Regierungsbericht, Deutschland "äußerte sich zudem kritisch zur gesamten Struktur, wonach unterhalb des RCB weitere Unterarbeitsgruppen gebildet werden können und insgesamt der Eindruck einer transatlantischen Behörde geschaffen werde".

Das interne Dokument zeigt: Welche Befugnisse diese Ausschüsse im Detail erhalten werden, ist stark umstritten. Auf Nachfrage von foodwatch erklärte der Völkerrechtler Dr. Till Holterhus vom Göttinger Institut für Völkerrecht und Europarecht hierzu: "Legt man die bekannten Formulierungen im Entwurf des Freihandelsabkommens CETA zwischen Kanada und der EU und das nun bekannt gewordene interne TTIP-Verhandlungsdokument zu Grunde, so kann nach heutigem Stand nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen der regulatorischen Kooperation in einigen Bereichen völkerrechtlich verbindliche Bestimmungen - etwa durch die Änderung von Annexen - begründet oder geändert werden können, ohne dass es einer erneuten Ratifikation und damit der Zustimmung des Europäischen Parlamentes sowie im Regelfall der mitgliedstaatlichen Parlamente bedürfte."

Lena Blanken von foodwatch: "Das Papier belegt, wie die Bundesregierung die Öffentlichkeit in die Irre führt. Gefahren von TTIP werden in der Öffentlichkeit regelmäßig geleugnet, Kritikern wird Panikmache unterstellt. Dabei weiß die Regierung in Wahrheit offenbar sehr genau, dass bei TTIP Expertengremien ohne jede parlamentarische Zustimmung verbindliche Regulierungsmaßnahmen beschließen könnten – etwa Vorgaben zur Lebensmittelkennzeichnung oder zur Zulassung von Chemikalien. Dass die Parlamente in Deutschland und Europa durch TTIP-Expertengremien entmachtet werden könnten, ist Bundeskanzlerin Angela Merkel offensichtlich bewusst. Doch sie trommelt unverdrossen weiter für das Abkommen. Ist das ihre Vorstellung von ‚marktkonformer‘ Demokratie?"
Autor: red

Kommentare
H.Buntfuß
27.07.2015, 19.11 Uhr
Bedrohung für die Demokratie
Ich frage mich schon seit langem, was das für Politikerinnen und Politiker sein müssen, die für so ein Abkommen stimmen? Entweder die Damen und Herren haben sich nie ernsthaft mit dem Abkommen auseinander gesetzt, oder sie sind ganz einfach nur unfähig.
Das letztere wird es wohl am besten treffen, meine ich. Meines Erachtens sitzen viele Politikerinnen und Politiker nur auf ihren Stühlen, um ihre Machtgier zu stillen, alles andere ist Nebensache, die vielen Nebenjobs, müssen bedient werden, nicht wahr?
Es sei mir ein Wort zur der vielgerühmten Demokratie erlaubt. Immer mehr Bürger der Eurozone glauben daran, dass es mit der Demokratie nicht allzu weit her ist. Das Vertrauen in die stümperhafte Politik schwindet von Tag zu Tag, das belegen Umfragen immer häufiger.
Wenn sie etwas gegen die sogenannten Freihandelsabkommen tun möchten, können sie das, indem sie am 10. Oktober 2015 mit zur Demonstration nach Berlin fahren. Der Deutsche Gewerkschaftsbund setzt kostenlos Busse ein, die sie nach Berlin und zurück bringen. Das Einzige was sie tun müssen, sie müssen sich bei einen der Gewerkschaftsbüros melden.
Büros gibt es in der Bahnhofstraße IG-Metall und in der Neustadtstraße finden sie die IG-BAU und die Verdi.
henry12
28.07.2015, 09.32 Uhr
TTIP, CETA & TISA
ich glaube nicht , das die politiker, die das entscheiden, unfähig sind. gabriel geht an das thema mit fast krimineller energie, was das täuschen seiner partei und seiner wähler betrifft. da ist kein raum für zufall oder unfähigkeit, der weiß genau, was er tun muss.
Leser X
28.07.2015, 11.01 Uhr
Das Problem kann nur auf der Straße gelöst werden...
... auch durch zivilen Ungehorsam der vielfältigsten Art. Also - auf nach Berlin am 10. Oktober!
SigismundRuestig
28.07.2015, 14.47 Uhr
TTIP einfrieren!
Allein die Tatsache, dass sich die USA aufgrund ihrer NSA-Aktivitäten einen unfairen Verhandlungsvorteil bei den Freihandelsabkommen (TTIP, TISA, ...) verschafft, wäre schon Grund genug, diese Verhandlungen erst mal auf Eis zu legen.
Verkehrte Welt?
http://youtu.be/QqoSPmtOYc8
Und im übrigen: nach der Wahl ist vor der Wahl:
http://youtu.be/0zSclA_zqK4
Und was sagen unsere Bundestagsabgeordneten dazu?
http://youtu.be/QGOx8I0COYg
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