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Mo, 20:41 Uhr
05.06.2017
28 Fußballfelder für Großprojekt

Nachhaltiger Schutz des Harzes gefordert

Mit großer Sorge hat der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) das Vorhaben der Stadt Wernigerode aufgenommen, Teile des ihr anvertrauten Harzes mit einem ganzjährigen Erlebnisbereich inklusive Skipiste zu überziehen...

Dazu zitiert der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (AHA) aus dem Bericht des Ausschusses für Umwelt und Energie des Landtages Sachsen-Anhalt und Vertretern der Stadt Wernigerode am 09.09.2016:

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Vor Ort diskutierten sie über einen möglichen Ganzjahreserlebnisbereich am Berg inklusive Skipiste, die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Chancen für die Region sowie mögliche Gefahren für die Natur.

Skilanglauf und Wandern haben in Schierke eine jahrzehntelange Tradition. Und wenn es nach der Stadt Wernigerode und vieler ihrer Bürger geht, dann könnten Einheimische und Gäste ab Dezember 2017 auch die Skipisten runtersausen. Denn die Stadt plant für ihren seit 2009 eingemeindeten Ortsteil Schierke den „ganz großen Wurf“: Seilbahn auf den Winterberg mit Beschneiungsanlage, Vernetzung des Skigebietes mit Braunlage, Bau einer Fußgängerzone mit Promenadencharakter durch den Ort, Neubau einer Arena mit vielfältiger Winter- und Sommernutzung sowie die Errichtung eines echten Ortszentrums auf dem Gebiet der ehemaligen Grund- und Sekundarschule mit neuen Hotels, Haus des Gastes und alles, was das Herz eines Touristen begehrt. Langfristiges Ziel ist es, „Schierke am Brocken“ als attraktiven Freizeit- und Erholungsort mit überregionaler Bedeutung deutlich zu stärken.

Investitionen in Höhe von 25 Millionen Euro

Das Gesamtinvestitionsvolumen liege bei etwa 25 Millionen Euro, erklärte Andreas Meling, Sprecher der Stadt Wernigerode in seiner Präsentation vor den Abgeordneten. Davon würden etwa 7 Millionen Euro von der Stadt Wernigerode übernommen, die entsprechende Fördermittel beim Land beantragt habe. Die übrigen knapp 18 Millionen übernehme ein privater Investor. „Wenn der Investor im Januar 2017 weiß, dass er bauen kann, fängt er im März an und will am 15. Dezember 2017 das erste Mal Skifahren“ – ein ambitionierter Zeitplan, der aber durchaus realisierbar sei, so Meling.

Christiane Hopstock, Ortsbürgermeisterin von Schierke, erinnerte daran, dass Schierke in den letzten 25 Jahren wegen des angrenzenden Nationalparks Harz kaum Entwicklungsmöglichkeiten gehabt habe. Mit dem privaten Investor gebe es nun eine einmalige Chance, die nie wieder kommen werde. Außerdem sei man bereits mittendrin in der Entwicklung, die bisher vom Land Sachsen-Anhalt unterstützt worden sei. In den vergangenen Jahren wurde beispielsweise eine Ortsumfahrung mit großem Parkhaus gebaut, ein Konzertpavillon im Kurpark errichtet und mit der Umgestaltung der Schierker Feuerstein Arena begonnen. Die Mehrheit der Schierker stehe vorbehaltlos hinter dem Projekt und fügte sie hinzu: „Wir Schierker lieben unsere Natur und würden einen Teufel tun und sie zerstören.“

Umweltverträglichkeitsprüfung läuft

Knackpunkt bei dem Großprojekt dürfte dennoch der Eingriff in die Natur werden, schließlich sollen laut Planung 20 Hektar Wald- und Moorgebiet aus einem geschützten Gebiet des Naturparks entnommen werden – eine Fläche etwa so groß wie 28 Fußballfelder, in unmittelbarer Nähe des Nationalparks Harz. Als Träger der Planung hat die Stadt Wernigerode im Sommer 2016 bei der obersten Landesentwicklungsbehörde Sachsen-Anhalts ein Raumordnungsverfahren beantragt, bei dem unter anderem eine Umweltverträglichkeits- und FFH-Verträglichkeitsprüfung erfolgt. Bis November 2016 soll das Verfahren abgeschlossen sein. Danach erhoffen sich Stadt und Investor Klarheit, ob es „unüberbrückbare Hürden für das Projekt gibt“ oder „Genehmigungsfähigkeit“, erklärte Stadtsprecher Meling.

Skepsis seitens des Umweltministeriums

In der anschließenden Diskussionsrunde im Rathaus Schierke gab es neben vielen positiven Stimmen auch kritische Fragen einzelner Abgeordneten. Zum Beispiel zum geplanten Naturspeichersee für die Beschneiungsanlage und die Auswirkungen auf die Kalte Bode, aus dem das Wasser entnommen werden soll. Ebenfalls kritisch hinterfragt wurden die Auswirkungen durch die Fragmentierung der Landschaft auf Flora und Fauna sowie die anvisierten Auslastungszahlen der Skianlage vor dem Hintergrund des Klimawandels.

Und natürlich wurde auch die Frage diskutiert, ob es der richtige Weg sei, für das Projekt 20 Hektar Wald und Moorgebiete zu opfern. Eher skeptisch äußerte sich auch ein Vertreter des Umweltministeriums. Dort werde das Projekt nicht als prioritär angesehen, es müssten eine ganze Reihe an Fragen gelöst werden, bis sich das Ministerium damit anfreunden könnte.

Nunmehr hat das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, mit ihrer Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert an der Spitze, ihre berechtigten Einwände gegen die geplanten massiven Eingriffe am Rand des Nationalparkes Harz dargelegt, welche zusammengefasst sich insbesondere auf die besonders schützenswerten 20 Hektar Wald- und Moorgebiet sowie der anderen Auswirkungen auf Kalte Bode und einen Schlag gegen den Klimaschutz beziehen. Das dabei der Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU), der Minister für Landesentwicklung und Verkehr Thomas Webel (CDU) und der Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD) Belange des Umwelt-, Natur-, Landschafts- und Klimaschutzes als unbeachtlich ansehen, ist dabei nicht verwunderlich, sondern zeugen von verheerender Kontinuität in der Landesregierung. So wie sich diese Mitglieder der Landesregierung Sachsen-Anhalt u.a. zum Verbau des Landes mit Autobahnen und Straßen sowie dem Ausbau von Elbe und Saale verhalten, verherrlichen diese Leute auch die Vorhaben in Schierke. Dabei spielen offenbar EU-Regelungen zum Umgang mit Natur und Gewässern sowie das Klimaschutzabkommen von Paris keine oder maximal eine untergeordnete Rolle.

Die Stadt Wernigerode stellt sich zudem ein Armutszeugnis aus, indem sie aufzeigt mit Umwelt-, Natur- und Landschaftszerstörungen an touristische Attraktivität gewinnen zu wollen. Anstatt mit den bestehenden Schön- und Besonderheiten der Natur und Landschaft des Harzes zu locken und darauf einen vielfältigen und sanften Tourismus abzustimmen und zu entwickeln, möchte man stattdessen landschafts- und naturfremde Verbauungen vornehmen.

Dabei müsste auch bei der überwiegenden Zahl der Abgeordneten des Landtages des Landes Sachsen-Anhalt, der Landesregierung und der Stadt Wernigerode sowie anderer Befürworter des Vorhabens ferner angekommen sein, dass die Schneewahrscheinlichkeit auf Grund des Klimawandels sinkt. Dem dann mit Schneekanonen gegensteuern zu wollen ist ein weiterer Beitrag zum Klimawandel. Somit verstößt dieses Vorhaben nicht nur gegen jegliche rechtliche Grundlagen auf internationaler und europäischer Ebene und in Verantwortung von Bund und Land Sachsen-Anhalt, sondern auch gegen wissenschaftlich-fachliches Verständnis sowie einem Mindestgebot von Vernunft und Anstand

Der AHA regt stattdessen ein länderübergreifendes Tourismuskonzept zwischen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen an, welche den Schutz, den Erhalt und die darauf beruhende Entwicklung des Harzes und des Harzvorlandes berücksichtigt sowie zudem den Besucherinnen und Besuchern in vielfältiger Form ökologische, geologische, archäologische und historische Aspekte nahebringt. Nur ein Tourismus, welcher sich den Belangen des Schutzes von Umwelt, Natur, Landschaft und Klima unterordnet kann den Harz als Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, als hydrologische Quelle für zahlreiche Fließgewässer sowie damit eng verbunden als Ort der Erholung und des Tourismus in der Naturschatzkammer bewahren.
Auf jeden Fall ist der ehrenamtliche und gemeinnützige AHA bereit daran mitzuwirken sowie Interessenten zu gewinnen, welche sich für den Schutz, Erhalt und Entwicklung des Landschafts- und Naturraumes Harz einsetzen möchten.
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)
Autor: red

Kommentare
Bodo Schwarzberg
05.06.2017, 23.21 Uhr
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder: Fakten kontra Profit
Das ist Trump im Puppenstubenformat: Investoren und ihre Wegbereiter, also die neuen postfaktischen Wahrheitsverdreher contra Fakten. Schierke träumt davon, wie schon in den 20er und 30er Jahren wieder das St. Moritz des außeralpinen Deutschlands zu werden. Nur dass heute hierzu bedeutend mehr Landschaftszerstörung als damals notwendig ist. In Zeiten des menschgemachten, übrigens faktischen Klimwandels kohlenstoffspeichernde Moore zu zerstören und Wälder dauerhaft zu beseitigen und zugleich auf eine energetisch aufwändige Beschneiung der gewonnenen Skipisten zu setzen, ist absurd und, um im Bilde zu bleiben, postfaktisch. Schon in den Alpen haben immer mehr Wintersportregionen Probleme, ihr Image als Winterssportzentren zu erhalten. Das kleine, gerademal 640 Meter hoch gelegene Schierke ist angesichts der Klimaentwicklung größenwahnsinnig und blendet die von zum Beispiel vom PIK Potsdam für sehr wahrscheinlich gehaltene und sich ja schon heute deutlich zeigende Entwicklung von Wintertemperaturen und Schneesicherheit aus. Nationalparks und Naturschutzgebiete bilden zudem die letzten verbliebenen, vergleichsweise winzigen Reste einer einst europaweit flächendeckenden natürlichen bzw. naturnahen Landschaft.

Sie auch noch anzutasten und Investoren für kurzfristige Profite zum Fraß vorzuwerfen, hat nichts mit Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit zu tun. Schierke sollte vielmehr auf den sanften, naturverträglichen Tourismus setzen.
Pistenbully
09.06.2017, 08.23 Uhr
Lächerliche Argumentation
Die Haltung des "Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle" bezüglich des geplanten ganzjährigen Erlebnisbereiches in Schierke ist geradezu lächerlich.

Bezogen auf die Gesamtwaldfläche des Harzes stellt die verplante Fläche nur einen winzigen Bruchteil des Waldbestandes dar. An anderen Stellen im Harz (insb. im Nationalpark) haben Umweltschützer anscheinend keine Probleme damit, dass riesige Waldflächen vom Borkenkäfer abgemäht werden - ohne dass man diesen bekämpft - aber sobald das Wort "Skipisten" auf die Agenda kommt, fallen leider bei vielen Akteuren die ideologischen Scheuklappen runter. Der Klimawandel macht die Argumentation für die Projektgegner natürlich leicht. Aber, liebe Umweltschützer: Ihr wäret auch gegen das Projekt, wenn dort nicht Skipisten sondern Mountainbiketrails, Angelteiche oder andere Formen der touristischen Nutzung entstehen würden.

Es reicht nicht aus immer nur von der Förderung des sanften Tourismus zu schwadronieren, letztendlich aber keine Taten folgen zu lassen. Man hätte über 20 Jahre Zeit gehabt ein länderübergreifendes sanftes Tourismuskonzept aufzubauen, mit attraktiven Angeboten welche die Gästebetten füllen. Dies ist ausgeblieben ... jetzt sind in meinen Augen die anderen Investoren mal dran.
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