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Über den Wolken

Montag, 02. Februar 2015, 14:18 Uhr
Als erster Verein Arterns nach der Wende wurde im Januar 1990 der Aeroclub "Hans Grade" gegründet. Der passionierte Flieger Horst Dreischärf begleitet den Verein bis heute. Zum 25. Jubiläum erinnert sein Verein an die turbulenten Anfänge und die Rolle, die Dreischärf für den Verein gespielt hat...

Ein Mann und seine Leidenschaften oder wer 25 Jahre des Aeroclub „Hans Grade“ entscheidend prägte. Die Goldene Hochzeit mit seiner großen Leidenschaft – dem Segelfliegen – liegt quasi drei Jahre zurück. Die Silberne Hochzeit mit dem Verein, in dem er dieses Hobby seit 1990 wieder betreibt hat er vor wenigen Tagen am 19. Januar begangen. Und dann gibt es da auch noch seine Frau, mit der er seit 1970 verheiratet ist. Darüber hinaus geht er auch zur Jagd, doch die soll hier außen vor bleiben.

Ganz schön viele leidenschaftliche Beziehungen. Wer kann sich so etwas leisten? Horst Dreischärf. Seit 1962 ein ganz aktiver, leidenschaftlicher und erfolgreicher Segelflieger. Begonnen hat alles in Seehausen in Rückebeil`s großer Scheune.

Dort baute er mit seinem Schulfreund Lutz bereits als 11-Jähriger Flugzeugmodelle. Und so kam er dann auch zum Flugplatz, auf dem er sich mit 13 schon regelmäßig herum trieb. Mit 14 Jahren startete sein Fliegerleben. Nach einer soliden fliegerischen Ausbildung stellten sich bald erste größere fliegerische Erfolge ein. Im Bezirk Halle, zu dem Bad Frankenhausen damals gehörte, wurde er viermal Bezirksmeister im Streckensegelflug. Den Pokal der Flieger-Revue im dezentralen Streckenflug-Wettbewerb der DDR konnte er im Jahr 1977 und 1978 erfliegen und damit zum besten Streckenflieger in diesen Jahren werden. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verteidigung im Jahr 1979 waren gut bis dieses Fliegerjahr ab August von einer Dauerflugsperre und dem endgültigen Aus für das Segelfliegen in Udersleben beeinflußt wurde. So musste Horst den dritten Pokalsieg abschreiben. Dafür gab es 11 Jahre Zwangspause für jegliche fliegerische Ambitionen. Auch mit „gestutzten Flügeln“ blieb neben dem festen Zusammenhalt der Fliegertruppe immer die Sehnsucht und Hoffnung wieder fliegen zu können.

Horst Dreischärf engagiert sich auch heute noch als Lehrer, ist aber auch als Pilot unterwegs - hier mit Fliederkönigin Lisa (Foto: Aeroclub Hans Grade e.V.) Horst Dreischärf engagiert sich auch heute noch als Lehrer, ist aber auch als Pilot unterwegs - hier mit Fliederkönigin Lisa (Foto: Aeroclub Hans Grade e.V.)

So wagten bereits im Frühjahr 1989 Optimisten wie Manfred Kutz, Ilse Marquardt und einige andere den Vorstoß bei den GST-Oberen, den Flugplatz wieder zu eröffnen. Mit dabei: Horst Dreischärf. Wie zu erwarten, gab es eine Absage. Doch die Ereignisse im Herbst 1989 ließen erneut Hoffnung schöpfen. Während wir am Fliegerstammtisch noch diskutierten und rätselten, wie wir das alles am besten anstellen, ob wir eine GmbH gründen oder ähnliches, kam Hilfe aus Witzenhausen wie gerufen.

Am 31.12.1989 schneite Dr. Angelika Machinek vom Luftsportverband Witzenhausen hier nach Bad Frankenhausen und nahm Kontakt zu den Fliegern auf. Und die witzenhäuser Flieger machten uns schnell klar, wie es geht. Ein Verein war das juristische Konstrukt, in dessen Rahmen wir wieder fliegen könnten. Also wurde der Aeroclub „Hans Grade“ als erster Verein im Altkreis Artern am 19. Januar 1990 gegründet. Dass der Vorsitzende dieses neuen Vereins Horst Dreischärf heißen würde, stand außer Frage. Er stand mit seinen 41 Jahren in der Blüte seines Lebens, er hatte große fliegerische Erfahrungen, er war umsichtig, hatte Organisationstalent und eine gesunde Risikobereitschaft. Und so hieß und heißt der erste Vorsitzende des Aeroclubs Horst Dreischärf. Neben Horst Dreischärf als 1. Vorsitzenden wurden Hans Jörg Conrad als 2. Vorsitzender, Fritz Wallrodt als Schatzmeister, Egon Ehrhardt als Technischer Leiter, Gerhard Finke als Ausbildungsleiter, Manfred Kutz als Jugendleiter und Marion Haas als Schriftführerin/ Presse-sprecherin gewählt.

Dass diese Aufgabe quasi eine Lebensaufgabe für ihn werden würde, hat Horst damals wohl nicht geahnt und selbst wenn, er hätte sicher auch dann nicht gekniffen. Diese ersten Tage, Wochen, Monate und Jahre waren vor allem von großer Euphorie geprägt. Und eben diese Euphorie, die Hoffnung bald wieder fliegen zu können, die verlieh Horst Dreischärf und seinen Mitstreitern die sprichwörtlichen Flügel.

Horst Dreischärf nach einem erfolgreichen Streckenflug (Foto: Aeroclub Hans Grade e.V.) Horst Dreischärf nach einem erfolgreichen Streckenflug (Foto: Aeroclub Hans Grade e.V.) Die Aufgabenstellung war ja im Grunde einfach: 1. brauchten wir einen Flugplatz - den gab es ja seit 1971 in Udersleben – nun allerdings mit Getreide bewachsen. Bei der Lösung dieser Problematik fand Horst Dreischärf in seinem Stellvertreter Hans Jörg Conrad, dem Udersleber Bürgermeister Heinz Thelemann und vor allem bei Frau Dr. Maritta Herzog die Unterstützung, die das Gelingen letztendlich garantierten. Ab 1. März 1990 stand uns der Flugplatz zur Verfügung. 2. brauchten wir eine Flughalle – die gab es ebenfalls in Udersleben, sie war allerdings von Getreide und Milliarden von Mäusen bevölkert. Bereits am 28. Februar 1990 wurde uns die Flughalle von der LPG Ringleben übergeben. 3. Parallel zu den Verhandlungen über das Grundstück und die Flughalle musste natürlich über die Flugzeuge und weitere Technik verhandelt werden. Und in diese umfangreichen Aktivitäten platzte der Termin für die ersten freien Wahlen. Hier sollte auch über die künftige Länderzugehörigkeit des Kreises Artern entschieden werden. Und damit war für Horst Dreischärf und die weiteren 38 Gründungsmitglieder klar: spätestens an diesem Tag musste unsere Flugzeugtechnik, die ja im damaligen Bezirk Halle verteilt war, wieder an unserem Flugplatz stehen. Denn kurz nach 18.00 Uhr würde feststehen, dass der Kreis Artern zum Land Thüringen gehören wird. Da musste oft echt gepokert werden. Genau darin war Horst Dreischärf ein Meister. Ich selber habe an verschiedenen Verhandlungsrunden zur Rückführung von Flugzeugen und Bodentechnik teilgenommen und konnte von Pokerface Horst Einiges lernen. Doch entscheidend war das Ergebnis.

Am 05. März 1990 konnten wir von den Flugplätzen Aschersleben und Halle/Oppin zwei Doppelsitzer, 2 einsitzige Segelflugzeuge sowie 2 Schleppwinden, Flugzeughänger, unser selbstgebautes Dreirad (Kokoröllchen) und verschiedene andere Technik quasi wieder nach Hause holen. An diesem Tag waren die Segelflieger wohl die ersten Wähler um punkt 8 Uhr um danach sofort aufzubrechen und die oben beschriebene Technik nach Udersleben zu übernehmen. Dieses Husarenstück war so recht nach unser aller Geschmack und hatte auch den entsprechenden Erfolg.

Nun gab es nur noch zwei entscheidende Probleme zu lösen. Der Flugplatz musste wieder befliegbar werden, da sicherte uns die LPG Ringleben ihre Unterstützung zu und natürlich brauchten wir auch Piloten mit einer gültigen Lizenz. Horst hatte als umtriebiger Vorsitzender längst Verbindung zu den Dermsdorfer Segelfliegern aufgenommen. Die waren die ganzen Jahre durchgeflogen. Also gab es dort Fluglehrer die unsere ehemaligen Fluglehrer wieder fit machen konnten. Die entsprechenden Prüfungen mussten dann in Schönhagen und Halle/Oppin absolviert werden. Somit gab es im Frühsommer schon mal einige ordentlich bestallte Fluglehrer. Zu ihnen gehörte natürlich auch Horst Dreischärf.

Wenn man diese Zeilen liest, klingt das alles ziemlich leicht. Aber in einer Zeit, in der alles im Umbruch war, in der so viele Dinge nicht mehr und noch nicht geregelt waren, musste man für viele Entscheidungen schon das richtige Gespür haben. Darf ich diese Steine, die Volkseigentum sind, jetzt für den Ausbau der Halle nehmen oder ist das Diebstahl? Wird die Polizei ein Auge zudrücken, wenn die Flugzeughänger keine ordentliche Zulassung haben oder bemerkt es keiner? Wird jemand aus Halle unseren Platz, von dem wir behaupteten er sei sofort befliegbar, kontrollieren und entdecken, dass dort noch immer Getreide wächst? Werden uns dann die zugesagten Flugzeuge gestrichen? All das waren einige Fragen, die neben den oben beschriebenen Schwerpunkten zu beantworten und in Handeln umgesetzt werden mussten. Zusammenfassen kann man das vielleicht so: wir hatten viel Enthusiasmus, keine finanzielle Basis, niemanden, der uns noch was schenken würde und waren für alles selber verantwortlich – vom Flugzeug bis zum Toilettenpapier.

Für diese vielfältigen Herausforderungen war Horst Dreischärf genau der richtige Mann und er hatte 38 Vereinsmitglieder die sich nicht schonten, die genau wie er, alles dem Ziel des „Wieder-Fliegen-Wollens“ unterordneten. Es gab keinen Neid, es gab keinen Streit – es war wohl die genialste Zeit im frankenhäuser Flugsport. Dann stellten sich die ersten Erfolge unserer Mühen ein:

Bereits am 5. März hatten wir einen Grundstock an Flug- und Bodentechnik in die heimische Halle gebracht. Die ehemaligen Fluglehrer Horst Dreischärf, Egon und Helmut Ehrhardt, Karl-Heinz Mahner und Gerhard Finke hatten ihre Lizenzen erfolgreich aktiviert und durften wieder Flugschüler ausbilden. Es gab neu ausgebildete Techniker, Fallschirmwarte und Windenfahrer. Die LPG Ringleben hatte die Ernte auf dem Flugplatz eingefahren, die Flieger hatten tonnenweise Erde bewegt um den Platz zu begradigen, die LPG Gras eingedrillt. Dem Fliegen stand nach all diesen Mühen fast nichts mehr im Wege. Nachdem auch die letzten juristischen Querelen ausgeräumt waren, das Gelände der Kommune als Flugsportgelände übereignet wurde und am 04. Juli 1990 durch den Ministerrat der DDR die Zulassung des Geländes als Flugplatz erfolgte, war das Ziel ganz nah.

Endlich am letzten Juliwochenende des Jahres 1990 erhob sich auf dem Gelände des Flugplatzes Udersleben nach fast genau 11-jähriger Pause der erste Segler wieder gen Himmel – im Cockpit Horst Dreischärf und Heinz Ehrhardt. Was uns heute beinahe selbstverständlich erscheint, bescherte uns damals umwerfende Gefühle des Stolzes, der Dankbarkeit und Freiheit. Doch ohne einen entschlossenen und mutigen Mann wie Horst Dreischärf an der Spitze unseres Vereins hätte das Ganze wohl viel länger gedauert.

Die nächsten Schritte, die Horst Dreischärf und sein Vorstand angehen mussten, waren die Wiederaktivierung der Pilotenlizenzen für all diejenigen, die eine solche Lizenz in der DDR bereits besaßen. Es gab ein verkürztes Ausbildungsprogramm mit unseren Fluglehrern, einen anschließenden Prüfungsflug durften jedoch nur entsprechende Prüfer durchführen. Horst suchte und fand diesen Prüfer in Northeim. Walter Grill kam am Weihnachtswochenende nach Bad Frankenhausen und die erforderlichen Prüfungsflüge wurden durchgeführt. Für die letzten Landungen beleuchteten wir die Landebahn mit PKW-Scheinwerfern und: nicht nur zahlreiche Lizenzpiloten sondern auch das Fliegen nach Weihnachten (heute Silvesterfliegen) war geboren. Auch in den kommenden Jahren ging es stetig voran und immer an der Spitze war Horst.

Er war nicht nur derjenige, der im Verein mit Weitsicht und Mut für seine Ideen warb und sie auch meistens umsetzte, er war auch derjenige, der uns zeigte, wie es gehen kann. Er war der erste frankenhäuser Flieger der eine Motorseglerlizenz erwarb, natürlich war der nächste Schritt, einen Motorsegler für den Verein zu erwerben. Da gab es viele viele Zweifler, also wurde ein Motorsegler gechartert und so bewiesen, dass dieses Fluggerät für den Verein in vielerlei Hinsicht nützlich ist. So wurden aus Zweiflern Befürworter und ein Motorsegler angeschafft. Ebenso ging es mit einem Motorflugzeug. Wer war wieder der Vorreiter? Horst Dreischärf. Nachdem die materielle und personelle Basis im Verein stimmte, konnte man sich auch wieder verstärkt dem Leistungssegelflug zuwenden. Und wie könnte es anders sein, auch hier war Horst wieder die Nummer 1 im Verein. Er flog als Erster eine 300 km-Strecke, er war derjenige, der die 500 km im Segelflugzeug als erster im Verein im Jahr 1999 bezwang.

Das waren für den leidenschaftlichen Segelflieger die absoluten Sternstunden, die er mit dem höchsten Leistungsabzeichen der Segelflieger, der Gold – C mit drei Diamanten krönte. Diese 300 km-Strecke, 5 Stunden-Flüge und Startüberhöhungen von 3000 m haben nun schon einige Piloten im Verein erflogen. Das gilt ebenfalls für die 3 Segelflugdiamanten. Bei den 500 km – Streckenflügen, einem vorher genau festgelegten Ziel-Rückkehr- oder Dreiecksflug von mindestens 300 km und einer Startüberhöhung von mind. 5000 m haben andere ebenfalls nachgezogen. Aber der Motivator und Pionier war immer Horst Dreischärf.

Unter seiner Leitung hat sich unser Verein zu einem der stabilsten und erfolgreichsten Fliegervereine in Thüringen entwickelt. Dafür sei ihm auf das Herzlichste gedankt. Da diese Zeilen kein Abgesang auf unseren Vereinsvorsitzenden sein sollen, habe ich ihn auch nach seinen Zukunftswünschen gefragt.

Fliegerisch will er noch möglichst lange aktiv sein, sowohl als Fluglehrer, denn der Kontakt mit jungen Leuten ist auch immer wieder erfrischend und hält jung. Aber auch für seine eigene Fliegerei hat er noch große Ziele: er möchte in Deutschland eine Strecke von 750 km fliegen. Darüber hinaus wünscht sich Horst, dass der Flugsport hier noch lange fortbesteht und mit Vernunft, Weitsicht aber auch Leidenschaft fortgeführt wird. Denn der Flugsport gehört zu Bad Frankenhausen wie der Flieder.

Ich wünsche Horst Dreischärf im Namen aller Vereinsmitglieder, viel Gesundheit, Tatkraft, Optimismus, Freude am Fliegen und eine gute Fliegergemeinschaft mit dem Pioniergeist der 1990er Jahre. Dann werden seine Zukunftswünsche sicher in Erfüllung gehen. Gratulation zum 25-jährigen Jubiläum und Hals- und Beinbruch den Mitgliedern des Aeroclub „Hans Grade“ und seinem Vorsitzenden Horst Dreischärf. Dank all denen, die uns auf diesem erfolgreichen Weg begleiteten.

PS: Da Flieger bekanntermaßen gerne und ordentlich Feiern, wird es die offizielle 25-Jahr-Feier im
Frühjahr 2015 zum Anfliegen geben.

Marion Haas
Pressesprecherin des Aeroclub „Hans Grade“ e. V.
Autor: red

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