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Fr, 10:24 Uhr
24.05.2013

In eigener Sache

Generationen lang war es so: Auf der Welt oder eben auch vor Ihrer Haustür geschieht etwas. Das erfahren irgendwie Menschen, die irgendwann einmal Journalismus studiert haben und sich befähigt fühlen, als Redakteure zu arbeiten. Für diesen Berufsstand jedoch könnte das Ende schneller kommen, als befürchtet...


Es ist eine Entwicklung technischer Natur, die Kommunikation und den Transport von Ereignissen - also Nachrichten - auf eine völlig neue Ebene hievt. Ob das nun positiv oder negativ bewertet wird, ist völlig nebensächlich. Es ist die Entwicklung des Telefons zum Handy und dann weiter zum Smartphone - diesem scheinbar "Alleskönner". Mit ihm in der Hand wird dessen Besitzer unter anderen zum Reporter.

Es sind diese grausigen Szenen, als zwei Bomben hintereinander bei Boston-Marathon explodierten. Da hatte sich der Rauch der erste Detonation noch nicht einmal richtig verzogen, da waren die ersten Retter noch nicht einmal vor Ort, da waren die Bilder und Videosequenzen schon einmal rund um den Erdball geflattert. Die Menschheit wird Redakteure oder Journalisten bei Print, Funk und Fernsehen als Erstversorger von Nachrichten nicht mehr benötigten. Wir alle versorgen uns selbst - via Facebook, Twitter oder Youtube.

Die Rechtfertigung meiner Branche, man müsse Nachrichten aufarbeiten, analysieren, das Wichtige vom Unwichtigen trennen - die hat bei der Erstinformation keinen Bestand mehr. Als in Boston die ersten Agenturen etwas vermeldeten, als die ersten Fernsehsender vor Ort waren, als die ersten geschockten Reporter vor der Kamera Aufstellung genommen hatten, waren die Bilder schon auf den Smartphones dieser Welt. Und was konnten die Redakteure in den ersten Minuten tun? Sie konnten nur vermelden, dass da etwas passiert sei.

Gestern nun die schockierenden Bilder aus London. Ein britischer Soldat wird abgeschlachtet, ja, so muss es formuliert werden. Die Tat - nahezu live übertragen - war schon abartig - dass die Täter jedoch einen Zeugen und dessen Smartphone nutzten, um diese Tat zu rechtfertigen - das ist eine neue Stufe. Nicht nur in der Eskalation der Gewalt, sondern vor allem in ihrer Darstellung.

Ich will mich wegbewegen vom scheußlichen Inhalt dessen, was da weltweit zu sehen war, sondern vielmehr auf den "Transport", auf die technische Seite eingehen. Es sind nicht mehr Journalisten oder Redakteure, die für die nachrichtliche Transmission benötigt werden. Nein, es ist ein zufällig am Ort des Geschehens vorbeikommender Mensch - der nur eines sein muss: Besitzer eines Smartphones.

Wir alle, die wir solch ein Ding unser eigen nennen, wir alle können Reporter werden, können die digitale Welt mit dem versorgen, was rund um uns passiert: hier wird ein neues Haus gebaut, dort ist ein Auto gegen einen Lichtmast gefahren, woanders wird ein Mensch zerstückelt.

Die technologische Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Im Gegenteil, die Beschleunigung wird tagtäglich weiter erhöht, ein Ende ist nicht in Sicht. Mag sein, dass in einigen Jahren ein Großteil dessen was uns umgibt und was wir "die Welt" nennen, aus Nullen und Einsen besteht, wir, die Journalisten und Redakteure werden vermutlich nicht mehr gebraucht. Warum auch sollen die nachrichtlichen Konsumenten alle so lange warten, bis sich eine Berufsgruppe entschieden hat, die Wichtung und Bedeutung von Nachrichten zu entscheiden.

Wir alle werden die Nachrichten liefern - heute schon, wenn auch noch in begrenztem Umfang. Aber was wird werden, wenn wir nicht wissen, ob unser Gegenüber eine Googlebrille besitzt und wir aktuell und live auf dessen Youtube-Channel zu sehen sind.

Ich dachte immer, dass ich diese Entwicklungsschritte von meinem Ruhestand - also in vielen vielen Jahren - aus betrachten und an die "gute alte Zeit" zurückdenken kann. Seit Boston und London weiß ich, dass ich da noch mitten drin sein werde. Und es spielt überhaupt keine Rolle, wie ich das beurteile. Willkommen in der digitalen Welt.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

Kommentare
-----7
24.05.2013, 23.15 Uhr
Vieles ist aber auch Schrott oder Fake
Lieber Herr Greiner,

man braucht auch weiterhin guten Journalismus, denn es wird im Netz auch viel Schrott oder sogar Fakes veröffentlicht. Wenn man manche Postings bei Facebook & Co. sieht, wie jemand ein Foto von seinem Mittagessen oder ein anderer von seinen Hinterlassenschaften veröffentlicht, dann ist mir überlegter Journalismus doch lieber.

Und manchmal muss man auch nicht alles wissen. Neulich war z.B. ein Feuerwehreinsatz direkt vor meiner Haustür. Den Grund dafür weiß ich bis heute noch nicht. Ich selbst hätte es auch gar nicht mitbekommen, wenn eine Bekannte, die 2 Eingänge weiter wohnt mich nicht angerufen hätte. Wenn es etwas größeres gewesen wäre, hätte ich in der Presse davon erfahren, wenn es gefährlich worden wäre, hätte die Feuerwehr oder die Polizei evakuiert. Ein anderer wäre vielleicht gleich vor die Haustür gelaufen und hätte sein Smartphone gezückt, um dann von einer Feuerwehr in OST zu berichten. Okay, ich habe hier auch schon mal von dem Unwetter am 9.11.11 hier ein Video veröffentlicht. Allerdings sehe ich da die Relevanz etwas anders.

Sorgen machte ich mir allerdings, als am Dienstag oder Mittwoch nachmittags hier in der Grund- und Regelschule am Förstemannweg (ehemals Pappelweg) der Feueralarm ausgelöst wurde, weil meine Nichte zu diesem Zeitpunkt noch in der Schule war, aber zum Glück war es "nur" ein Probealarm. Aber Gänsehaut hat man doch bekommen, als diese Töne fast ganz Ost beschallten und dazu noch die Stimme "Achtung! Achtung! .... bitte das Gebäude sofort verlassen!". Selbst die Erzieherinnen im benachbarten Kindergarten waren erschrocken. Die spielenden Schüler während der Pause oder die Kinder vom Kiga hört man bei geschlossener Balkontür nicht, aber den Alarm konnte man vernehmen.
Bonefatius K.
26.05.2013, 10.41 Uhr
Kein Ende für gute Redakteure
Werter Herr Greiner, es mag ja sein, daß viele Informationen nicht mehr den "altbekannten Weg" nehmen. Nur sind das doch Informationen, die in der Regel nicht wirklich wichtig sind. Wichtig sind die recherchierten, hinterfragten und korrekt kommentierten Informationen aus dem Lebensumfeld.

Stellen Sie sich nur mal vor,wie z. B. die Politik (von ganz klein bis ganz groß)erfreut wäre,wenn es keine Journalisten (Redakteure) mehr gäbe die sich damit beschäftigen würden. Also nicht die Flinte in´s Korn werfen und weiter machen. Wird wahrscheinlich noch weit über den Ruhestand hinausreichen.
Real Human
26.05.2013, 14.21 Uhr
„… Gefahren warten nur auf jene, ...
… die nicht auf das Leben reagieren ...“ sagte einst (der dann aber selbst gescheiterte) Michail Gorbatschow.

Ja, die „gute alte Zeit“! Ich kann mich noch an Entgegnungen erinnern wie: „Das stand aber vorige Woche am Freitag im Volk!“ Was in der damaligen Thüringer SED-Zeitung stand, hatte den Status einer regierungs-offiziellen Verlautbarung und damit quasi Gesetzescharakter. Man konnte sich darauf berufen.

Man musste aber auch „zwischen den Zeilen“ lesen können. Diese Formulierung soll angeblich aus dem 19. Jahrhundert stammen und meint Andeutungen in Briefen, die schon damals von entsprechenden Institutionen mit offiziell befohlener Verletzung des Postgeheimnisses geöffnet wurden. (Wer in den heutigen sozialen Netzwerken alles Mögliche „postet“, glaubt meistens, dass sich „kein Schwein“ wirklich für Laura oder Jan Müller’s Uploads interessiert – bekanntlich ein Irrtum!)

In Wirklichkeit ist das Internet – wie fast alle bedeutsamen Erfindungen – Fluch und Segen zugleich (Internetspionage/Sabotage versus „Arabellion“).

Das schon sprichwörtliche „Zeitungssterben“ ist auch so ein „Kollateralschaden“, der auf das Konto des www geht. Außer Verlierern der Medienbranche gibt es aber auch Gewinner! Ich wage mal zu behaupten, dass z.B. die nnz trotz aller Probleme eindeutig zu den Gewinnern zählt.

Vor einem halben Jahr habe ich mich im Foyer des Göttinger Hauptbahnhofs zu einem Probe-Abo des „Spiegel“ breitschlagen lassen. Die zugesicherten kostenlosen Ausgaben kamen nicht, dafür aber die Zahlungsaufforderung für ein Jahresabo. Im Kleingedruckten des Probe-Abos war aber eine jederzeitige Kündigung zum Monatsende zugesichert. Das tat ich auch per Einschreiben mit Rückschein, und es funktionierte auch. Ich bezahlte für den Qualitätsjournalismus nur im Januar und Februar. Was blieb, waren aber Anrufe mit „exklusiven“ Sonderangeboten und Prämien nur für mich. Ist es nicht erstaunlich, dass eine so renommiertes Journal so etwas nötig hat?

Das „Zeitungssterben“ ist also mehr als nur ein Schlagwort. Zeitungsredaktionen leben in sehr schwierigen Zeiten, vor allem, wenn in einer künftigen Wirtschaftskrise – trotz empfohlenem antizyklischen Verhalten – neben der Zahl der Abonnenten auch die Werbeeinnahmen wegbrechen sollten.

Für kleine lokale oder sehr fachspezifische Internetzeitungen sehe ich aber durchaus Marktnischen, wenn sie sich den neuen Gewohnheiten der „Generation Internet“ rechtzeitig und gut genug anpassen. Die Chancen ergeben sich u.a. aus

• Kostenvorteilen gegenüber traditionellen Printmedien – keine aufwändige Logistik wie Druckereien und Transport, keine größeren Räumlichkeiten, kein noch relativ zahlreiches Personal!
• den MULTI-medialen Vorteilen gegenüber Papier,
• der größeren Nähe zu den Lesern (z.B. besseres Feedback durch unkomplizierte Veröffentlichung von –kostenlosen! –Leserbeiträgen und Kommentaren, dabei keine Beschränkung durch Papierformate.)
• aktuellere Nachrichten.

Trotzdem besteht die Gefahr, dass „Journalismus“ immer mehr zum Hobby (Blogs usw.) werden könnte. Allerdings würde dann die Güte und Verlässlichkeit der Informationen stark leiden, weswegen es dann wieder mehr Leser geben wird, die auf Professionalität Wert legen.

Kurz zu den schlimmen Attentaten:

Es handelt sich hierbei offensichtlich um einen „asymmetrischen“ Krieg. Auch die Terroristen sind vielleicht auf ihre Art Patrioten und betrachten sich selbst als „Freiheitskämpfer“? Könnte es sein, dass die „feigen Attentate“ auch eine Reaktion auf die „feigen“, aus einem sicheren Bunker ferngesteuerten, Drohnenangriffe sind?
othello
26.05.2013, 14.57 Uhr
Journalismus in Gefahr?
Werter Herr Greiner,
wenn man wie sie bei einer Zeitung arbeiten muss, die hauptsächlich von Polizeiberichten , Meldungen von Sportvereinen, anderen Vereinen und sonstigen lokalen „Wichtigkeiten“ berichten kann, dann kann man schon als „Journalist" sich Gedanken um die Zukunft machen.

Zugegeben, auch diese Nachrichten sind für viele Ortsansässige interessant und wahrscheinlich wird diese Zeitung auch nur deshalb gelesen. Ich gehe auch davon aus, dass ihnen in einer solchen Zeitung die Mittel und die Zeit fehlen, mehr daraus zu machen. Vielleicht unterliegen sie auch anderen äußerlichen Zwängen, die die Redaktion zwingen, wenige politische Themen kritisch zu hinterfragen und auch mal ordentlich zu recherchieren. Dieses sind Aufgaben, die ein Journalist zu erfüllen hätte. Aufgaben die keine noch so konkreten Bilder von Smartphons, Handys oder Laienfilme ersetzen können. Wenn ich andere Thüringer Presse betrachte, vor allem die Lokalredaktionen, dann ergibt sich auch das gleiche Bild, wie in ihrer Zeitung.

Lokalredaktionen werden zunehmend in ihrer personellen Ausstattung gezwungen, ihrer wirklichen journalistischen Aufgabe Grenzen aufzuerlegen und Erfüllungsgehilfen der örtlichen Politiker und anderen einflussreichen Gruppen zu werden. Welchen Zwängen sie unterliegen kann ich nicht beurteilen, aber mehr Mut könnten sie schon zeigen, falls sie tatsächlich unabhängig sein sollten, was ich jedoch bezweifeln muss.

Beispiele für meine Zweifel ergeben sich auch daraus, dass fast die Hälfte meiner Kommentare zu aktuellen politischen Themen deaktiviert wurden, obwohl sie nach meiner Ansicht den vorgegebenen Kriterien entsprochen haben. In anderen Onlinezeitungen ist mir dieses noch nie passiert, obwohl ich dort bedeutend deftiger kommentiert habe. Lamentieren sie deshalb nicht über die angeblichen Nachrichten in Bildern, sondern erfüllen sie ihre journalistischen Aufgaben, auch wenn ihre Mittel und Möglichkeiten sehr beschränkt sind. Dafür wünsche ich ihnen von vollem Herzen mehr Mut und Erfolg.
Nörgler
26.05.2013, 15.40 Uhr
Gerade hier
Gerade in der nnz wird seit Jahren kritisch über Ereignisse in Stadt -und Landkreis berichtet. Gerade das gefällt dem Leser.
othello
26.05.2013, 18.12 Uhr
Fragen nach dem Einfluss !
Herr Nörgler,
oberflächlich betrachtet kann man ihrer Meinung zustimmen. Im Detail
liegt der Teufel begraben, deshalb es geht auch besser ! Aber wer interessiert sich schon für die Meinung eines Herrn Greiner oder unsere Kommentare ? Die Macht haben andere, und damit meine ich nicht die Stadtverordneten in ihrer Gesamtheit. Diese unterliegen anderen Zwängen, wie eigenen Parteioberen oder außerhalb, nämlich einflussreichen Verbänden, ohne die anscheinend in Nordhausen nichts geht. Da könnte man mal nachhaken.
othello
26.05.2013, 19.56 Uhr
Der Beitrag wurde deaktiviert – Gehoert nicht zum Thema des Beitrags
hasis
27.05.2013, 21.20 Uhr
Ehrlicher Journalismus oder doch einsitige Beurteilung
Sehr geehrter Herr Greiner, leider ist es in "Ihrer" seriösen Welt der Berichterstattung auch nicht ganz ehrlich.

In Ihrem Artikel "Mit der Idylle vorbei" vom 26.6.12 zeigt sich das doch ganz deutlich. Beinahe haben Sie es geschafft, eine Familie zu "vernichten", aber diese Familie meint es ehrlich - nicht so Ihre Zuträger, von den "Bildern hintern Busch" ganz zu schweigen. Sie machen doch auch manchmal eigene Politik und Politik für "Andere" und deren Interessen mit Ihren Berichten.
smp
28.05.2013, 18.58 Uhr
Die Befürchtungen sind nicht neu.
Lesen sie mal "The Cult of the Amateur" von Andrew Keen und sehen sie sich die heutige Wirklichkeit an.(Und seine heutige Meinung)

Das Abendland wird durch das Internet nicht untergehen. Auch der Berufsstand des Redakteurs und Journalisten nicht.

Sicher werden es viele mittelmäßige und schlechte nicht schaffen. Aber Qualität hat sich bisher immer durchgesetzt. Und für gründliche Recherche, Aufdecken von Hintergründen und Zusammenhängen, sachliche neutrale vertrauenswürdige Berichterstattung braucht es nach wie vor mehr als ein Smartphone.
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