Mi, 10:00 Uhr
27.01.2016
Andere Welten, gleich nebenan
Schottische Dreifaltigkeit im Südharz
Es gibt Dinge, die erwartet man nicht im Südharz zu finden, doch hin und wieder stolpert man über Kuriositäten. Zum Beispiel Menschen die "Burns Supper" feierlich begehen, ganz im Sinne der schottischen Tradition mit Whiskey und "Haggis". Die nnz zu Besuch in einer "Anderen Welt"...
"Schön dich zu sehen, altes Fettgesicht,
mächtiger Clanchef der Pudding-Rasse!
Über allem Anderen thronst du,
Magen, Därm´, gar Knorpel und Bindegeweb´:
Klar, bist du ´nen Ehrentoast wert,
So lang wie mein Arm."
- Robert Burns, Address to a Haggis
Die Schotten sind schon ein seltsames Völkchen. Einer der wichtigsten Feiertage in den High- und Lowlands ist die "Burns Night". Am "zweiten Nationalfeiertag" zelebriert Schottland den Poeten der Nation, Robert Burns, und zwar, anders als hierzulande üblich, nicht an seinem Todes- sondern an seinem Geburtstag. Nicht das man in Deutschland heimische Dichter feiern würde, mal von gewichtigen Redebeiträgen zu passender Zeit abgesehen. Hochkultur im schottischen Feiertagskalender also.
Und auf der anderen Seite steht an diesem Abend: die schottische Dreifaltigkeit - Whiskey, "Haggis" und eben Robert Burns. Von ihm stammt unter anderem der Satz: "Whiskey und Freiheit gehören zusammen". Dazu muss man dann noch wissen das Burns ein, sagen wir mal "Lebemann" war, wie er im Buche steht. Nach nur 37 Lebensjahren verabschiedete sich der Dichter für immer von der Welt und hinterließ fünf Frauen mit insgesamt 13 seiner Sprösslinge sowie mehr als 500 Gedichte und Lieder. "Auld Lang Syne", noch so ein Nukleus schottischer Kultur, ist aus seiner Feder und hat sogar die kulturellen Grenzen zwischen Engländern und Schotten überwinden können. Und von Burns stammt natürlich auch die "Address to a Haggis", die Ansprache an den Haggis, die zur Burns Night nach striktem Zeremoniell zu erfolgen hat.
Schottische Dreifaltigkeit: Haggis, Burns und Whiskey (Foto: Angelo Glashagel) Das Gericht selbst ist auch so eine schottische Besonderheit. Die grau-braune Masse wird im Naturdarm serviert und ist kein wirklicher Hingucker, das Auge ist im ersten Moment definitiv nicht mit. Die Zutatenliste besteht vornehmlich aus Schafsinnereien und Kräutern. Sogar die für ihre exquisite Küche weltweit bekannten Engländer wundern sich zuweilen über das schottische Nationalgericht. Und die Schotten? Nehmens mit Humor. Der Haggis ist in der schottischen Erklärung an die Nachbarn im Süden eine eigentlich sehr seltene Tierart, die nur im Januar gejagt wird. Man unterscheidet zwischen "tief fliegendem" und "linksdrehenden" Haggis. Letzere Art kommt in den Highlands vor und hebt sich dadurch hervor, dass ein Paar der Extremitäten länger ist als das andere, damit kann die Kreatur an den Hängen der Highlands leichter laufen. Einmal ins Flachland gelockt sind sie aber leichte Beute für mutige Haggisjäger. It's all a bit silly.
Nun muss man nicht bis nach Schottland fahren um "Burns Supper", das "Burns Abendbrot" zu erleben und Haggis zu probieren. Die fröhliche Feier zelebriert man inzwischen auch in Deutschland und zwar nicht nur im angesagten Irish Pub in der Großstadt, sondern auch ganz klein und fein im beschaulichen Stolberg. Hier hat sich das "Anderswelt-Theater" des Brauches angenommen. Pünktlich zur traditionellen "Burns Night" am 25. Januar schallten Dudelsacktöne durch das Städtchen im Winterschlaf.
Er passt gut hierher, der Brauch aus fremden Landen. Die Dichtkunst liegt dem Schauspielerpaar Mario und Christiane Jantosch ohnehin am Herzen und gutes Essen gehört zum Erfolgsrezept ihres Hauses. Das Anderswelt-Theater, demnächst fünf Jahre alt, ist Bühne und Gaststätte in einem. Ein bisschen zumindest. "Die ersten zwei Jahre waren sehr schwer", erzählt Mario Jantosch, "da hieß es nur durchhalten". Damals existierten beide Teile des Theaters noch separat, heute gibt es das Theater zwar ohne Essen, aber kein Essen ohne Theater. "Wir sind Künstler, keine Gastronomen. Das haben wir gemerkt.", erzählt Christiane Jantosch.
Zuallererst Künstler, dann Gastronomen - Christiane Jantosch (Foto: Angelo Glashagel) Das auch diese Konstellation funktionieren kann, haben die letzten Jahre gezeigt, dem Publikum gefällt's, viele kommen wieder, bringen Freunde mit, erzählt Mario Jantosch. Zu den jeweiligen Themenabenden, sei es nun Tucholsky, Kästner, "Im Kessel: buntes", Heinrich-Zille oder Edgar Allan Poe, kredenzt man das passende Mahl. Gespielt und gelesen wird minimalistisch und ganz nah dran am Publikum. Meist steht man zu zweit, manchmal auch zu dritt mit dem ältesten Sohn, auf der kleinen hauseigenen Bühne. Die vierte Wand schrumpft angesichts der lauschigen Bühne zum Zäunchen, darin liegt die Stärke des freien Theaters. Größere Inszenierungen wie "Nathan der Weise" und "Der zerbrochene Krug", die ein umfangreicheres Ensemble verlangen, sind eher die Ausnahme. Dafür braucht es das große Theater, das könne und das wolle man nicht ersetzen, sagt Christiane Jantosch. Aber man verstehe sich auch nicht als Touristentheater, die würden das Angebot ohnehin seltener nutzen, man sieht sich eher als alternatives Angebot für die Region, "unsere Gäste kommen aus dem ganzen Harzgebiet, bis rauf nach Braunschweig".
Zur "Burns Night" war das Interesse eher verhalten, was aber auch an Wochentag und Witterung gelegen haben mag. Die Zeit zwischen den Gängen füllte man mit Burns'schem Gedicht- und Liedgut und natürlich dem "Wasser der Lebens". Nichts anderes bedeutet das Wort "Whiskey" ursprünglich. Heinrich Gilles, Freund des Hauses und Whiskey Experte, hatte sechs schottische Edel-Sorten mitgebracht (und die dazugehörigen Brennereien selbst besichtigt). Dazu spielte Daniel Liebau, Dudelsackspieler bei den "Barbarossa Pipes and Drums", schottische Klassiker und erklärte Tartan, Kilt und Clan Insignien. Und Anfängertipps für Haggis-Neulinge hatte der Musiker auch parat: "heiß essen", dann schmeckts auch.
Schließlich der Star des Abends, der Haggis höchstselbst, echt schottisch, importiert aus seinem Heimatland, serviert leider nur im Kunstdarm, nicht á la nature wie üblich. Die Nachfrage war wohl zu groß. Macht nichts, die anwesenden Experten waren sich einig - der Haggis schmeckte sogar besser als sein Vertreter in Naturverpackung und auch dieser Reporter kann vermelden: es mundet tatsächlich. Und wenn es einmal auf dem Teller ist, siehts auch ganz passabel aus. Einmal Nachschlag bitte, slàinte.
Angelo Glashagel
Autor: red"Schön dich zu sehen, altes Fettgesicht,
mächtiger Clanchef der Pudding-Rasse!
Über allem Anderen thronst du,
Magen, Därm´, gar Knorpel und Bindegeweb´:
Klar, bist du ´nen Ehrentoast wert,
So lang wie mein Arm."
- Robert Burns, Address to a Haggis
Die Schotten sind schon ein seltsames Völkchen. Einer der wichtigsten Feiertage in den High- und Lowlands ist die "Burns Night". Am "zweiten Nationalfeiertag" zelebriert Schottland den Poeten der Nation, Robert Burns, und zwar, anders als hierzulande üblich, nicht an seinem Todes- sondern an seinem Geburtstag. Nicht das man in Deutschland heimische Dichter feiern würde, mal von gewichtigen Redebeiträgen zu passender Zeit abgesehen. Hochkultur im schottischen Feiertagskalender also.
Und auf der anderen Seite steht an diesem Abend: die schottische Dreifaltigkeit - Whiskey, "Haggis" und eben Robert Burns. Von ihm stammt unter anderem der Satz: "Whiskey und Freiheit gehören zusammen". Dazu muss man dann noch wissen das Burns ein, sagen wir mal "Lebemann" war, wie er im Buche steht. Nach nur 37 Lebensjahren verabschiedete sich der Dichter für immer von der Welt und hinterließ fünf Frauen mit insgesamt 13 seiner Sprösslinge sowie mehr als 500 Gedichte und Lieder. "Auld Lang Syne", noch so ein Nukleus schottischer Kultur, ist aus seiner Feder und hat sogar die kulturellen Grenzen zwischen Engländern und Schotten überwinden können. Und von Burns stammt natürlich auch die "Address to a Haggis", die Ansprache an den Haggis, die zur Burns Night nach striktem Zeremoniell zu erfolgen hat.
Schottische Dreifaltigkeit: Haggis, Burns und Whiskey (Foto: Angelo Glashagel) Das Gericht selbst ist auch so eine schottische Besonderheit. Die grau-braune Masse wird im Naturdarm serviert und ist kein wirklicher Hingucker, das Auge ist im ersten Moment definitiv nicht mit. Die Zutatenliste besteht vornehmlich aus Schafsinnereien und Kräutern. Sogar die für ihre exquisite Küche weltweit bekannten Engländer wundern sich zuweilen über das schottische Nationalgericht. Und die Schotten? Nehmens mit Humor. Der Haggis ist in der schottischen Erklärung an die Nachbarn im Süden eine eigentlich sehr seltene Tierart, die nur im Januar gejagt wird. Man unterscheidet zwischen "tief fliegendem" und "linksdrehenden" Haggis. Letzere Art kommt in den Highlands vor und hebt sich dadurch hervor, dass ein Paar der Extremitäten länger ist als das andere, damit kann die Kreatur an den Hängen der Highlands leichter laufen. Einmal ins Flachland gelockt sind sie aber leichte Beute für mutige Haggisjäger. It's all a bit silly.
Nun muss man nicht bis nach Schottland fahren um "Burns Supper", das "Burns Abendbrot" zu erleben und Haggis zu probieren. Die fröhliche Feier zelebriert man inzwischen auch in Deutschland und zwar nicht nur im angesagten Irish Pub in der Großstadt, sondern auch ganz klein und fein im beschaulichen Stolberg. Hier hat sich das "Anderswelt-Theater" des Brauches angenommen. Pünktlich zur traditionellen "Burns Night" am 25. Januar schallten Dudelsacktöne durch das Städtchen im Winterschlaf.
Er passt gut hierher, der Brauch aus fremden Landen. Die Dichtkunst liegt dem Schauspielerpaar Mario und Christiane Jantosch ohnehin am Herzen und gutes Essen gehört zum Erfolgsrezept ihres Hauses. Das Anderswelt-Theater, demnächst fünf Jahre alt, ist Bühne und Gaststätte in einem. Ein bisschen zumindest. "Die ersten zwei Jahre waren sehr schwer", erzählt Mario Jantosch, "da hieß es nur durchhalten". Damals existierten beide Teile des Theaters noch separat, heute gibt es das Theater zwar ohne Essen, aber kein Essen ohne Theater. "Wir sind Künstler, keine Gastronomen. Das haben wir gemerkt.", erzählt Christiane Jantosch.
Zuallererst Künstler, dann Gastronomen - Christiane Jantosch (Foto: Angelo Glashagel) Das auch diese Konstellation funktionieren kann, haben die letzten Jahre gezeigt, dem Publikum gefällt's, viele kommen wieder, bringen Freunde mit, erzählt Mario Jantosch. Zu den jeweiligen Themenabenden, sei es nun Tucholsky, Kästner, "Im Kessel: buntes", Heinrich-Zille oder Edgar Allan Poe, kredenzt man das passende Mahl. Gespielt und gelesen wird minimalistisch und ganz nah dran am Publikum. Meist steht man zu zweit, manchmal auch zu dritt mit dem ältesten Sohn, auf der kleinen hauseigenen Bühne. Die vierte Wand schrumpft angesichts der lauschigen Bühne zum Zäunchen, darin liegt die Stärke des freien Theaters. Größere Inszenierungen wie "Nathan der Weise" und "Der zerbrochene Krug", die ein umfangreicheres Ensemble verlangen, sind eher die Ausnahme. Dafür braucht es das große Theater, das könne und das wolle man nicht ersetzen, sagt Christiane Jantosch. Aber man verstehe sich auch nicht als Touristentheater, die würden das Angebot ohnehin seltener nutzen, man sieht sich eher als alternatives Angebot für die Region, "unsere Gäste kommen aus dem ganzen Harzgebiet, bis rauf nach Braunschweig".
Address to a Haggis - wie es sich gehört wurde der Haggis auch in Stolberg gepriesen (Foto: Angelo Glashagel)
Zur "Burns Night" war das Interesse eher verhalten, was aber auch an Wochentag und Witterung gelegen haben mag. Die Zeit zwischen den Gängen füllte man mit Burns'schem Gedicht- und Liedgut und natürlich dem "Wasser der Lebens". Nichts anderes bedeutet das Wort "Whiskey" ursprünglich. Heinrich Gilles, Freund des Hauses und Whiskey Experte, hatte sechs schottische Edel-Sorten mitgebracht (und die dazugehörigen Brennereien selbst besichtigt). Dazu spielte Daniel Liebau, Dudelsackspieler bei den "Barbarossa Pipes and Drums", schottische Klassiker und erklärte Tartan, Kilt und Clan Insignien. Und Anfängertipps für Haggis-Neulinge hatte der Musiker auch parat: "heiß essen", dann schmeckts auch.
Schließlich der Star des Abends, der Haggis höchstselbst, echt schottisch, importiert aus seinem Heimatland, serviert leider nur im Kunstdarm, nicht á la nature wie üblich. Die Nachfrage war wohl zu groß. Macht nichts, die anwesenden Experten waren sich einig - der Haggis schmeckte sogar besser als sein Vertreter in Naturverpackung und auch dieser Reporter kann vermelden: es mundet tatsächlich. Und wenn es einmal auf dem Teller ist, siehts auch ganz passabel aus. Einmal Nachschlag bitte, slàinte.
Angelo Glashagel
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