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Di, 08:01 Uhr
21.08.2018
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder unterwegs

Wenn Flüsse nicht mehr gerade fließen müssten

Am vergangenen Wochenende brach der "AHA", der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu einer Fahrradexkursion entlang der Zorge, Helme, des Helmestausees und Teile der Thyra auf. Den kritischen Blick ließ man schon am Startpunkt in Nordhausen schweifen und trug eine lange Liste an Empfehlungen zusammen mit denen Artenvielfalt und Landschaftsbild verbessert werden könnten...

Der Start war in Nordhausen am Bahnhof und erste Station bildete dabei die Zorge im Bereich der Brücke Bahnhofsstraße. Hier stellten die Anwesenden fest, dass die langanhaltende Dürre deutlich ihre Spuren hinterlassen hat und das Bestreben des Fließgewässers deutlich zu erkennen ist, Mäandrierungen ausprägen zu wollen, um die Begradigung aufzubrechen, was aber durch überwachsene Ufer- und Sohlbefestigungen nicht zum Erfolg führt.

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Positiv war jedoch festzustellen, dass die Zorge einen gewissen Grünraum besitzt, wo sich neben nitrophilen Rasenflächen, Weichholzauenbereiche, vorrangig bestehend aus Silberweide, entwickeln können. Der Niedrigwasserstand der Zorge brachte außerdem eine umfassende Vermüllung des Fließgewässers zu Tage. Die Mitglieder der Exkursionsgruppe waren sich einig, dass hier eine umfassende Beräumung des Mülls und Unrates erfolgen muss.

Ab dem Bereich der Thomas-Müntzer-Brücke verdeutlichte sich verstärkt der begradigte Charakter der Zorge. Erkennbar sind zudem Einleitungen wie zum Beispiel im Bereich des Strohmühlenwegs. Besorgniserregend nahm die Exkursionsgruppe auf, dass im Gewässerabschnitt bis Bielen die Zorge in Folge der Dürre vollkommen ausgetrocknet war.

Die Zorge lässt deutliche Tendenzen ab Bielen in Richtung Mäandrierung erkennen, was jedoch die Schaffung eines mindestens 10 Meter breiten Gewässerschonstreifens erfordert.

Unverständlich ist zudem, dass flächendeckend die Aue der Zorge im Stadtgebiet von Nordhausen einer sehr intensiven Mahd unterzogen war, welche sogar das Erdreich mit einbezog. Die Mitglieder der Exkursionsgruppe waren sich einig, dass die Mahden stark reduziert, unregelmäßig, außerhalb der Gehölzbereiche sowie in mehreren Abschnitten erfolgen sollten, um so eine noch höhere Artenvielfalt zu ermöglichen sowie ausreichend Blütenangebote für Insekten und Deckungsangebote für Tiere sichern und anbieten zu können. Im Bereich der Gehölzbereiche besteht die Gefahr der Beschädigung der Gehölze und stellt eine Behinderung einer wünschenswerten Sukzession dar.

Der Weg zwischen dem Kiessee südlich von Windehausen und Zorge sowie Heringen ist ein Beispiel von ausgeräumter Agrarlandschaft. Hier entwickelte die Exkursionsgruppe den Gedanken entweder beidseitig vielfältige Obstalleen anzulegen oder einen sukzessiven Gehölzsaumen entwickeln zu lassen. Nach Auffassung der Exkursionsgruppe geht es darum vermehrt arten- und strukturreiche Lebens- und Rückzugsräume für zahlreiche Tier- und Pflanzen zu schaffen, das Landschaftsbild aufzuwerten und nicht zuletzt das immer weiter voranschreitende Abpflügen und Beackern von Wegsaumen zu stoppen.

Mit gewissem Befremden nahmen die Teilnehmenden der Exkursion die Staustufe der Helme in Heringen in Augenschein. Dabei zählte die ca. 74 km lange Helme einst zu den arten- und strukturreichsten Fließgewässern der Region. Der gegenwärtig stark begradigte Zustand der Helme ist dagegen als besorgniserregend anzusehen und die Beseitigung der Mäander hat zum Bau von Querbauwerken geführt. Einst sorgten die Mäander für die Überwindung der Höhenunterschiede, was nun wasserbauliche Queranlagen wahrnehmen sollen. Dabei führen oberhalb derartiger Wasserbauwerke der Rückstau zu Sedimentablagerungen und die Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit zur Verringerung des Sauerstoffseintrages. Damit verbunden sind perspektivische Verschlechterungen der Wasserqualität mit Einschränkungen der Lebensqualität für zahlreiche Wasserorganismen.

Perspektivisch gilt es die Mäandrierung zu befördern, indem u.a. eine Beseitigung von Uferbefestigungen erfolgt und mit mindestens beidseitig 10 m Gewässerschonstreifen ein Entwicklungsraum entsteht. Erfreulicherweise versucht der Fluss außerhalb der befestigten und begradigten Bereiche Mäandrierungen zu entwickeln. Bekanntlich erschweren aber Ufer- und Sohlbefestigungen auch den hydrologischen Austausch mit dem Umland. In dem Zusammenhang berieten die Exkursionsteilnehmer über die Entwicklung des streckenweise deutlich erkennbaren Gewässerschonstreifens. Derartige Tendenzen in Richtung naturnaherer Entwicklungen sind zudem im Mündungsbereich der Zorge in die Helme erkennbar. Dieser Prozess ist nur optimal möglich, wenn Schwemmgut aus Totholz sowie umgebrochene Gehölze im Gewässer verbleiben und nur Müll und Unrat eine Entfernung erfahren. Neben einer Beförderung einer naturnaheren Entwicklung der Fließgewässer ist damit die Verbesserung der Nutzung von Lebens- und Rückzugsräumen von Tier- und Pflanzenarten gegeben. Beispielsweise die Beobachtungen einer Wasseramsel und von zwei Eisvögeln unterstreichen diese Notwendigkeit.

Ebenfalls nahmen die Teilnehmenden an der Exkursion entlang der Zorge ab dem Stadtgebiet von Nordhausen die zunehmende Ausbreitung von Drüsigem Springkraut und Japanischem Staudenknöterich zur Kenntnis. Begünstigung findet diese Ausbrei-tung noch, wenn man Gartenabfälle in der Natur ablagert, wie an einem Pappelgehölzstück zwischen Mündungsgebiet Roßmannsbach und Bieler geschehen. Hier bedarf es einer Beräumung der Ablagerung und einer gezielten mechanischen Bekämpfung beider Neophyten. Der AHA ist dazu bereit seine entsprechenden Erfahrungen zur Verfügung zu stehen und bei Interesse mit Arbeitseinsätzen daran mitzuwirken.

Während in dem Bereich die durchaus vorhandene sukzessive Gehölzentwicklung Förderung erfahren sollte, erscheinen u.a. im Bereich der Aumühle Rückverlegung von Deichanlagen bis zur Nebenhelme heran sinnvoll zu sein. Beide Maßnahmen tragen zur Wiederherstellung einer arten- und strukturreichen Helme bei, indem sich Auengehölze und Prall- und Gleithänge wieder entwickeln können sowie der Fluss verstärkt Kontakt zur Aue als Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sowie als Überschwemmungsgebiet zurück erhält.

Nach Meinung der Mitglieder der Exkursionsgruppe gilt es die Durchlässigkeit der Helme nicht weiter einzuschränken wie zwischen Aumühle und Berga geschehen, sondern durch gezielte Zulassung der Mäandrierung den Strukturreichtum und Durchlässigkeit wiederherzustellen. Es sind nicht mehr Bauanlagen in den Flusssystemen, son-dern eher weniger Verbauungen dringend vonnöten.

Erfreulicherweise haben sich nach Meinung der Mitglieder der Exkursion die Gehölzbestände nach den massiven Abholzungen entlang des Parallelweges zur Helme weitge-hend wieder erholt. Offenbar in Folge des Orkans Anfang Juli 2015 vorgenommen, hatten die Ausholzungen Ausmaße angenommen, welche den Gehölzbeständen noch mehr Schaden zugefügt und damit zudem ihre Funktion als Lebens- und Rückzugstraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten massiv beeinträchtigten. Die Situation verschärfte sich zudem, indem man das Schnittgut nicht vor Ort beließ, sondern flächendeckend beräumte. Die nunmehr erfolgten und eingezäunten Gehölzpflanzungen sind zwar gut gemeint, gilt es aber einer sukzessiven Entwicklung nachzuordnen. Ferner könnten auf geschichtete Gehölzteile ebenfalls als Lebens- und Rückzugstraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten fungieren.

Begrüßenswert haben die Mitglieder der Exkursionsgruppe die sukzessive Entwicklung der einstigen Bahnstrecke parallel zum Staudamm des Kelbrastausees aufgenommen. Hier ist eine eindeutige Stabilisierung des Pflanzenbestandes erkennbar, welchen es unbedingt zu schützen gilt.

Ebenso sind im gewissen Umfang naturnahere Entwicklungen im nunmehrigen Mündungsbereich der Thyra in die Helme bei Kelbra erkennbar. Dagegen ruft auch hier der stark begradigte Zustand der Helme große Sorge hervor. Ferner beschädigte man entlang der Thyra auf den letzten Metern vor der Einmündung mit der Entnahme von sturmgeschädigten Gehölzen den gesamten gewässerbegleitenden Gehölzbestand in dem Abschnitt. Die Mitglieder der Exkursionsgruppe äußerte ihr Unverständnis im Hinblick auf den noch deutlich erkennbaren inakzeptablen Umfang der Abholzungsmaßnahmen im Jahre 2015.

In dem Zusammenhang entwickelten die Exkursionsteilnehmer die Überlegungen ein ca. 4,8 ha großes Ackerstück nordwestlich der Einmündung der Thyra in die Helme, eingegrenzt im Südwesten von der Thyra, im Nordwesten von der Neuen Kiesgrube und im Nordosten vom Gehölz bestandenen Damm der früheren Kyff-häuser Kleinbahn als Sukzessionsgebiet für einen Auenwald in der Aue der Thyra um-zuwidmen. Dies trägt zur Erhöhung der Arten- und Strukturvielfalt bei und dient bei Hochwasser als „Schwamm“ für die zusätzlichen Wassermassen.

Ebenfalls gilt es Deichrückverlegungen zu prüfen und vorzunehmen, um der Helme und ihren Nebengewässern wieder mehr Überflutungsflächen zurückzugeben. Im Zusammenhang mit den dringend erforderlichen Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen halten es die Mitglieder der Exkursionsgruppe für sehr sinnvoll, eine sehr komplexe Schutz- und Entwicklungskonzeption für die Helme, ihr Einzugsgebiet, auch der Zorge und der Thyra, sowie direkt angrenzender Gebiete entwickeln zu lassen. Dabei sollte auch die Wirkung und perspektivische Entwicklung des Helmerückhaltebeckens Bestandteil und Inhalt der Untersuchungen sein.

Als Partner können dazu die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Hochschule Anhalt in Bernburg und die Hochschule Nordhausen dienen. Der AHA ist bereit im Rahmen seiner ehrenamtlichen Möglichkeiten diese wissenschaftliche Bearbeitung zu initiieren und zu begleiten.

In dem Blickfeld betrachtet gilt es der Umweltbildung vor Ort noch mehr Bedeutung beizumessen. Dazu könnte ein entscheidender räumlicher und inhaltlicher Schwerpunkt die vom sehr aktivem Förderverein Numburg betreute Naturschutzstation bilden. Dies bedarf jedoch einer noch tiefgreifenden Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt und des Freistaates Thüringen sowie der Landkreise Mansfeld – Südharz, Nordhausen und Kyffhäuser.

Perspektivisch kann sich der AHA vorstellen, dass in Kelbra eine Helme-Konferenz stattfindet, wo Politik, Verwaltung, Wissenschaft sowie die Bevölkerung und ihre Initiativen
und Vereine gemeinsam über die Entwicklung des ca. 74 km langen Flusses und seines Einzugsgebietes beraten können.

Ziel muss es dabei sein, alle Interessen und Notwendigkeiten ökologisch nachhaltig zusammenzuführen. Eine Einbeziehung aller Nebenflüsse, z.B. von Zorge und Thyra, scheinen da besonders geboten zu sein.

Nach Überlegungen der Mitglieder der Exkursionsgruppe bietet sich ferner an im leerstehenden Gebäude des Bahnhofs Berga-Kelbra ein umfassendes Tourismuszentrum mit Informations-, Bewirtungs- und Übernachtungsmöglichkeiten in der Goldenen Aue sowie an der Nahtstelle zwischen Harz und Kyffhäuser einzurichten. Dies trägt zur verbesserten Information von Einheimischen und Touristen bei und befördert den Tourismus und hebt die Bedeutung von Ort und Bahnhof.

Auf Grund der vielfältigen, sehr bedeutsamen Aufgaben zum Schutz, Erhalt und Entwicklung der Helme, ihrer Aue, ihres Einzugsgebietes, Nebengewässer –wie Zorge und Thyra- und angrenzenden Gebiete beabsichtigt der AHA eine länderübergreifende Arbeitsgruppe Helme sowie eine Regionalgruppe Nordhausen-Sangerhausen zu bilden, welche ehrenamtlich Interessierten die Möglichkeit eröffnet, sich im Interesse des Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes einbringen zu können.

Wer Interesse hat, wende sich bitte an folgende Anschrift:
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. – (AHA)
Große Klausstraße 11
06108 Halle (Saale)
Tel.: 0345 – 2002746
Fax.: 01805-684 308 363
E-Mail AHA: aha_halle@yahoo.de
Internet: http://www.aha-halle.de

Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V.
Autor: red

Kommentare
Bodo Schwarzberg
21.08.2018, 17.14 Uhr
Flüsse Flüsse sein lassen
Ich bin mir sicher, dass wir nur ein katastrophales Hochwasserereignis mit zerstörten Einfamilienhäusern, Straßen und Betrieben in der Helme/Zorge-Aue brauchen, damit die auf ökologischen Erkenntnissen beruhenden Forderungen des AHA umgesetzt werden.

Auch an Elbe und Saale waren Politik und Behörden nach dem angeblichen Jahrhunderthochwasser 2002 bereit, Deiche zurückzuverlegen und den ökonomischen Wert von Auwäldern anzuerkennen.

Wir vom BUND Nordhausen unterstützen den AHA gern bei seiner Arbeit.
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