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Fr, 18:22 Uhr
18.10.2019
Meldungen aus dem evangelischen Kirchenkreis

„So bunt ist unser Glaube“

Bad Frankenhausen steht dazu! Unter dieser Überschrift erreichte kn dieser Bericht der Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Bad Frankenhausen...

Vor einigen Tagen wurde in Bad Frankenhausen und Region bekannt, dass die AfD einen Familiensonntagnachmittag auf den Markt veranstalten will und als Höhepunkt eine Ansprache von Björn Höcke (Fraktionschef im Thüringer Landtag).
In einer Beratung der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Bad Frankenhausen und angesichts der Vorkommnisse vor der Synagoge in Halle wurde angeregt, sich an diesem Sonntag mit friedlichen Mitteln in Form einer Andacht gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus einzubringen. Zum Treffpunkt Unterkirche kamen – mehr als erwartet – etwa 150 Menschen aus der Region –von Heldrungen über Artern bis Sonderhausen.

„So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer) „So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer)

Die wenigsten davon sind bekennende Christen, aber sie haben sich einladen lassen zu einem friedlichen Protest. Pfarrerin Nadine Greifenstein erläuterte kurz die „Spielregel“ der Kreativandacht unter dem Motto „Nächstenliebe heißt Nächstenliebe. Punk!“
Der von der Polizei zugewiesene Platz war nicht sehr groß. Der eigentliche Markt hatte die AfD gemietet. Übermäßiger Lärm von beiden Seiten (AfD-Veranstalter – Protestgruppen) war zu hören. Dank einer kleinen mobilen Mikrofonanlage konnte Pfarrerin Greifenstein ihre Andacht halten. Zuerst sangen alle gemeinsam den bekannten Kanon „Dona nobis pacem“ (Gib uns Frieden). Nach dem Psalmgebet des Sonntags erläuterte

„So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer) „So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer)

Pfarrerin Greifenstein das Anliegen der Kirchgemeinde:

„Liebe Bad Frankenhäuser, Wir treffen uns hier um ein Zeichen für das friedliche Miteinander in unserer Gesellschaft zu setzen. Wir treffen uns hier wenige Tage nachdem in Halle ein Attentäter zwei Menschen getötet und weitere verletzt hat. Sein ursprünglicher Plan, ein Massaker unter den Jüdinnen und Juden zu begehen, die sich zu Jom Kippur in der Synagoge in Halle versammelt hatten, ist Gott sei Dank nicht aufgegangen.

Ich bin in der Thüringischen Rhön aufgewachsen und habe zehn Jahre lang in Halle gelebt. Mich haben die Nachrichten aus Halle betroffen gemacht und auch zornig. Solche Attentate passieren nicht im luftleeren Raum. Sie werden von Tätern verübt, die sich bestätigt fühlen von einem politischen Klima, in dem sich die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschieben.

Mit seiner Tat wollte der Attentäter Zustimmung und Anerkennung bei seinen Gesinnungsgenossen wecken. Und er wollte Angst verbreiten unter Jüdinnen und Juden, Muslimen und Angehörigen anderer Minderheiten in unserer Gesellschaft. Er wollte auch uns das Fürchten lehren.

Aus rechtsradikalen Anschlägen wie in Halle sollten wir etwas Anderes lernen als Furcht, nämlich: Es ist nicht egal, was wir sagen. Es ist nicht egal wie wir miteinander reden. Worte prägen unser Denken und unser Handeln. Hassbotschaften und politische Ausgrenzung geht dem Morden immer voraus.
„Nicht was zum Mund hineingeht, macht den Menschen unrein;“ sagt Jesus nach dem Matthäusevangelium, „sondern was aus dem Mund herauskommt, das macht den Menschen unrein.“ Es darf uns darum auch nicht egal sein, wenn auf den Marktplätzen unseres Landes zu Ausgrenzung und Hass aufgerufen wird. Selbst dann nicht, wenn es intellektuell überdreht oder als sogenanntes Familienfest daherkommt. Wenn auf Worte Taten folgen, dann heißt das: Wir als Bürgerinnen und Bürger müssen kritisch prüfen, welche Konsequenzen politische Slogans haben sollen. Und wir müssen rechtzeitig Widerspruch üben und uns an die Seite derer stellen, die angegriffen werden, weil sie anders glauben, lieben oder aus einem anderen Land kommen.

Im Alten Testament lesen wir: „Tue deinen Mund auf für die Stummen und die Sache aller, die verlassen sind“. Das ist eine große Forderung und eine schwierige Aufgabe.
Ich möchte ich ihnen gerne Mut zusprechen: Wenn Menschen sich trotz ihrer Verschiedenheiten aufeinander einlassen, Freundschaft und Liebe üben, dann tun wir das nicht allein, sondern in der Nachfolge Jesu, der die Stummen zum Sprechen gebracht hat und zu den Alleingelassenen gegangen ist.
Eine zentrale Botschaft des Evangeliums ist das Gebot der Nächstenliebe. Und das Evangelium ist der Grund, auf dem Christinnen und Christen stehen.

Nächstenliebe, ja, sogar die Feindesliebe, ist die entscheidende Grundlage, die Jesus den Menschen, die ihm nachfolgen, für das Miteinander als Gebot und Maßstab mitgibt. Dieser Grund darf nicht verlassen werden! Alle Ausgrenzung, aller Hass, alle Hetze stehen nicht auf diesem Grund. Gottes Gnade ist vielfältig und bunt.

Ausgrenzung, Hass, Hetze und Gewalt fußen auf schwarz-weiß-Denken, sie bauen auf Stereotype. Sie folgen keiner Logik, sondern spielen mit Emotion und instrumentalisieren diese zum Eigennutz.
Wenn wir wissen auf welchem Grund wir stehen, darf es uns nicht egal sein, wenn andere diesen Grund verlassen. Uns ist auch geboten, dass wir uns dann geschwisterlich ermahnen sollen. Deshalb müssen wir widersprechen. Wir müssen zeigen, dass Individualität im Glauben, im Lieben, in unserer Herkunft uns reich macht. Und dass keiner das Recht hat diese dem anderen abzusprechen oder ihn deshalb auszugrenzen, zu hassen, gegen ihn zu hetzen oder Gewalt zu üben in Worten und Taten. Wir stehen auf dem Grund des Evangeliums. Wir sind gegen Hass, Hetze und Gewalt. Wir feiern die Vielfalt und die bunte Gnade Gottes. Und dazu segne uns der dreieinige Gott, segne uns Vater, Sohn, Heiliger Geist. Amen.

„So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer) „So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer)

Lassen Sie uns hier ein Zeichen hinterlassen: wir malen auf das Pflaster ein großes gemeinsames buntes Bild. Es steht für Vielfalt in unserer Gesellschaft und im Miteinander, für Verschiedenheit, die uns reich macht, für echte Demokratie, für die Buntheit unserer Gaben und Talente und für die Liebe zu unserem Nächsten.“ Von dieser Aufforderung machten viele – Große und Kleine – Gebrauch, Blumen, Tauben, Sonnen, Bäume und viele Fischsymbole (Zeichen für Christus) erschienen auf dem Pflaster.

„So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer) „So bunt ist unser Glaube“ (Foto: Peter Zimmer)

Auch Superintendent i. R. Bornschein (Jahrgang 1929) aus Sondershausen ergriff spontan das Wort. Er schilderte in bewegten Worten seine Erfahrungen der Kinder- und Jugendzeit im Nazireich. Seine Eltern gehörten zu den bekennenden Christen (im Gegensatz zu den „Deutschen Christen“, die mit dem NS-Regime gemeinsame Sache machten). Er erlebte bewusst die Pogromnacht in Eisenach und die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung. Er appellierte eindringlich, solche Dinge nie mehr in Deutschland zuzulassen.

Friedlich ging diese Stunde zu Ende, auch wenn der Lärm vom Markt her nicht zu überhören war. Nachdenklich gingen die meisten nach Hause – in der Hoffnung, dass unsere Demokratie den antisemitischen Tendenzen Einhalt gebieten kann – denn man vergesse nicht die Mahnung von Bertold Brecht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ (Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui).

P.S.: Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei. Doch man bedenke: Worte – einmal dem Mund entflohen – können nicht zurückgeholt werden. Worte können zärtlich, liebevoll, hilfreich, freundlich…sein, aber sie können auch hasserfüllt, bösartig, verletzend, diskriminierend…sein.

Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Bad Frankenhausen
Pfarrerin Nadine Louise Greifenstein
Autor: khh

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