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Mi, 13:01 Uhr
23.10.2019
kn-Forum

Offener Brief...

...an unseren Gesundheitsminister und die Pflegekassen bzgl. der bundesweiten strukturellen Gewalt in der Pflege und im medizinischen Sektor...

Werte Damen und Herren,

ich möchte mich in diesem Rahmen und in aller Öffentlichkeit bei Ihnen beschweren. Ich bin 37 Jahre alt und als Altenpflegefachkraft tätig. Durch mein Berufsfeld und die interdisziplinäre Zusammenarbeit habe ich Einblick in die unterschiedlichsten Bereiche des Gesundheitswesens unserer Region. Gleichzeitig kommt man dieser Tage um die Begriffe Pflegenotstand, Kräftemangel und Landarztmangel nicht herum. Die Pflegepraxis sieht desaströs aus. Ich wage mir zu behaupten bundesweit. Unser Arbeitsalltag definiert sich aus dem Spannungsfeld zwischen abgehobenen ethischen Leitbildern unserer Träger, milchmädchenrechnungsartige Mittelzuweisungen der Pflegekassen, Kontrollinstanzen, die von denen losgeschickt werden, die uns mit der Finanzpeitsche durch den PflegeGewalttag treiben, dem Felsbrocken der Dokumentation und der Beweispflicht, den wir durch alle Unmöglichkeiten schleifen und den Menschen, unseren Klienten, Patienten, Bewohnern, dem Grund, warum wir diesen Knochenjob immer noch ertragen.

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Wir, das Personal im medizinischen Sektor, bewegen uns in Deutschland in einer Realität, in der unsere Auszubildenden in den ersten Seiten ihrer Lehrbücher darauf vorbereitet werde, dass ihr soziales Umfeld und ihr Freundeskreis sich verändern werden. Ihnen wird gesagt, dass sie zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mehr aufrechterhalten können werden. Und genauso gestaltet es sich auch in der Wirklichkeit. Wie sollte es auch anders sein, wenn im Rahmen einer Schichtarbeit und einer Besetzung auf radikalem Mindestmaß schon die Vorausplanung in den nächsten Monat und das Erledigen der grundlegenden organisatorischen Anforderungen des eigenen Alltags meist einem gordischen Knoten gleicht.

Die Arbeitsaufgaben kann man nur dann nach dem Maßstab der eigenen Zufriedenheit erfüllen, wenn man die Bereitschaft zu einem erheblichen Mehraufwand vor allem an Arbeitszeit mitbringt. Dank dem Argusauge auf der Wirtschaftlichkeit, ist diese natürlich unentgeltlich und wird inzwischen in Ermangelung weiterer Möglichkeiten auch moralisch voneinander erwartet. Persönlich sind die meisten dazu wahrscheinlich aus reinem Selbstschutz vor dem langen Arm der Justiz bereit. Viel zu oft halten wir mit unserem Kürzel unseren Kopf hin für Situationen, die wir ganz offenkundig nicht tragen und schon gar nicht verantworten können, aber sollen und müssen. Und während ständig dieses Damoklesschwert über uns schwebt, sind unsere Arbeitsrechte meist scheinbar nur eine Empfehlung an den Dienstplangestalter.

Wenn ich als Altenpflegefachkraft bis weilen im Dienst die Verantwortung für 53 Menschen übernehmen soll, dann bin ich damit, wie sie vielleicht hoffen, leider kein Einzelfall, sondern gehöre einer traurigen und gängigen Praxis der Sparpolitik an, die seit etlichen Jahren vorherrscht und sich immer weiter zu spitzt. Und die Überstunden und den langen Atem, welche Herr Spahn zur Rettung der Notlage „erbeten“ hat, haben den Pflegealltag überhaupt erst bis dato gerettet. Deshalb möchte ich jetzt hier und heute mit aller Deutlichkeit sagen; menschenwürdige Pflege ist aktuell nicht mehr möglich. Und das Ausmaß der Gewalt in der Pflege ( = eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion im Rahmen einer Vertrauensbeziehung, wodurch einem Klienten, Patienten, Bewohner Schaden oder Leid zu gefügt wird) das sich aus den strukturellen Missständen ergibt, die bundesweit herrschen, ist nicht zu erahnen und von „dem kleinen Mann“ in der Praxis auch nicht mehr zu rechtfertigen. Wir können den uns gestellten Aufgaben nicht mehr gerecht werden.

Deshalb mache ich hiermit bei Ihnen, unserem Gesundheitsminister, und Ihnen, unseren Pflegeversicherung, eine allgemeine Überlastungsanzeige für den gesamten Gesundheitssektors und fordere Sie auf Ihrer Verantwortung nachzukommen und sich für die einzusetzen, die Sie vertreten und von denen Sie Ihre Leistungen erhalten! Wirtschaftlichkeit kann NICHT der vorherrschende primäre Maßstab sein zur Ausgestaltung eines Arbeitsfeldes, das das Prinzip der Menschlichkeit erfüllen soll.

Gezeichnet eine empörte Bundesbürgerin und maßlos überlastete Altenpflegefachkraft

Vollständiger Name der Redaktion bekannt
Autor: khh

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