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Di, 08:45 Uhr
31.01.2023
Vera Lengsfeld rezensiert die Premiere in Sondershausen

Don Giovanni und die große Kunst der Verführung

Der neue Operndirektor des Theaters Nordhausen Benjamin Prins hat ein grandioses Regiedebüt abgeliefert. Was das Publikum im Sondershäuser Haus der Kunst, das Stammhaus wird gerade restauriert, zu sehen bekam, war große Kunst...

Die Idee, den legendären Frauenhelden mit egomanischen Künstlern wie Pablo Picasso zu vergleichen, erwies sich als inspirierend. Das beginnt mit dem Bühnenbild (Wolfgang Kurima Rauschning). Eine transparente, schwarze Installation, ein Atelier. Im Vordergrund ein weißer Arbeitstisch mit Malutensilien, an der Seite zwei braune Ledersessel und ein Clubtisch. Dazu kommt im 2. Akt kurzzeitig eine schwarze Badewanne.

Don Giovani in Sondershausen (Foto: TNLOS) Don Giovani in Sondershausen (Foto: TNLOS)

Es beginnt für alle, die das Programmheft noch nicht gelesen hatten, mit einer Überraschung: Aus dem Off ein Interview mit einem erfolgreichen Künstler, der sich für den größten der Welt hält und für den Frauen entweder Göttinnen oder Fußabtreter sind.

Dann beginnt die Ouvertüre, während der zwei ehemalige Gespielinnen Don Giovannis mit Wandgemälden beschäftigt sind. Don Giovanni nimmt der einen den Pinsel aus der Hand und korrigiert mit großer, eleganter Geste das Gemalte. Sobald sie den Pinsel wieder in der Hand hat, imitiert sie ihn. Damit ist das Verhältnis zwischen Don Giovanni und den Frauen vorgegeben.

Im Hintergrund erscheint schon Donna Anna und dann beginnt das Drama. Anna (Zinzi Frohwein) erträgt nicht, dass sie für Don Giovanni nur eine von vielen Kurzzeit-Affären ist. Sie sinnt auf Rache. In dieser Figur könnte man die Urmutter der Me-Too-Bewegung sehen. Sie weiß genau, wer nachts in ihr Zimmer kam und wem sie sich hingab. Sie macht aber eine Vergewaltigung daraus. Ihr Vater, der Komtur, will ihr zu Hilfe eilen und legt sich mit Don Giovanni an. Der warnt Ihn: „Willst du sterben?“ Die kurze Auseinandersetzung endet mit dem Tod des Komturs. Das ist schon alles, was das Stück an Handlung aufweist, der Rest sind verschiedene Szenen, die nur durch die Person Don Giovanni verbunden werden.

Was zu sehen war ist der Sieg Mozarts über seine Interpreten. Don Giovanni – nur ein böser, zügelloser Vergewaltiger?

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Die Figur ist viel komplexer. Das ahnt man schon, wenn Leporelleo in seiner Registerarie aufzählt, wie sein Herr die jeweils begehrte Frau gewinnt. Nicht durch Gewalt, sondern mit Schmeicheleien. Diese Mehrdimensionalität sichtbar zu machen, ist Philipp Franke zu verdanken. Franke, von dem Michael Helmrath sagte, er hätte mit seinem Tannhäuser-Vortrag nur deshalb den Sängerwettstreit auf der Wartburg nicht gewonnen, weil er außer Konkurrenz aufgetreten sei, zeigt sein ganzes Können. Sein Don Giovanni ist wie aus dem Mozartischen Jahrhundert der Verführung entstiegen. Nicht nur seine Stimme, seine Bewegungen, sein ganzer Körper ist Hingabe an seine Leidenschaft.

Wie könnte er sonst Zerlina (Yuval Oren) an ihrem Hochzeitstag von ihrem Bräutigam weglocken? Sein „Là ci darem la mano“ (Reich mir die Hand, mein Leben) ist von einer Art, dass ihm die härteste Me-Too-Aktivistin auf sein Schloss folgen würde. Zerlina hätte sich ihm nur zu gern hingegeben, wenn nicht Donna Elvira, eine andere verlassene Geliebte, dazwischengefunkt hätte. So wurde aus dem Techtelmechtel nichts und Zerlina hat nun die Aufgabe, ihren Bräutigam zu versöhnen. Sie schafft das, weil sie in der Kunst der Verführung Don Giovanni ebenbürtig ist.

Oren macht mit ihrer Stimme aus ihrem Part ein Gänsehautmoment. Das Publikum war in dieser Aufführung mehrmals mucksmäuschenstill, weil vollkommen vom Bühnengeschehen gefesselt. Das war einer davon.

Auch Donna Elvira (Rina Hirayama) schafft das. Die Elvira ist vielleicht der schwierigste Part in dieser Oper. Wenn Hirayama mit ihrem graziösen Gazellengang die Bühne betritt, sieht man eine selbstbewusste Person, eine engagierte Intellektuelle (Benjamin Prins), die zu ihrem Unglück Don Giovanni hoffnungslos verfallen ist.

Es heißt ja, Mozart hätte seine Arien oft für ganz bestimmte Sängerinnen geschrieben. Mit Hiryama wäre er, da bin ich sicher, mehr als zufrieden gewesen.

Zinzi Frohwein, die schon als „Lustige Witwe“ brillierte, ist die Rachsucht in Person. Sie bedrängt ihren Verlobten, dem sie mit Don Giovanni Hörner aufgesetzt hat, sie zu rächen. Don Ottavio (Kyounghan Seo) hat Mühe, ihre Wünsche zu erfüllen. In seiner großen Arie läuft er läuft Seo zur gewohnten Hochform auf.

Ich komme aus dem Loben nicht heraus und es ist wirklich kein Lokalpatriotismus. Denn Andriy Gnatiuk als Leporello ist, wundervoll. Besonders in seinen Arien im 1.Akt. Er ist unter den vielen guten Sängern, die Nordhausen aufbietet, mein Favorit. Last not least Timon Führ als Masetto verleiht der etwas unglücklichen Figur Würde. Thomas Kohl als Komtur sorgt mit seinem Part für den notwendigen Gruseleffekt.

Don Giovanni, das zeigt sich am Ende, war kein Feigling. Er bereut nichts. Er hat tausende Frauen gehabt und verlassen, aber er hat sie gehabt, weil er ihnen etwas bot, was sie offensichtlich vermisst haben: Komplimente. Er war der Meinung, dass sein großes Herz allen gehöre und es ungerecht wäre, es nur einer zu schenken. Die Frauen dagegen schalten ihn treulos und Verräter. Da soll jeder denken, was er will.

Mozart, das zeigt die „Oper aller Opern“ (E..T.A. Hoffmann), war nicht nur ein genialer Musiker, er war ein profunder und liebender Menschenkenner, der aus seinen Figuren mit seiner Musik niemals Schablonen, sondern vielschichtige Personen machte. Das wirkt über die Jahrhunderte hinweg und ist stärker als jeder Zeitgeist.

Wir verstehen die Don Juans heute nicht mehr. Davon zeugt ein erfolgreicher Song meiner Jugend von Dave Dee Dozv Beaky Mick &Tich. Ihr Don Juan hatte tausende Stiere getötet und tausende Mädchen gehabt und am Ende liebt er nur noch eine und zwar so sehr, dass er, als er sie in der Arena mit einem Anderen sieht, es vorzieht, sich vom Stier töten zu lassen. Das wäre Don Giovanni, der alle Konventionen verachtete, nie passiert.

Der stürmische Beifall am Ende der Vorstellung war wohlverdient. Gibt es wirklich nichts zu beanstanden? Doch. Im fast vollen Saal saßen viele Auswärtige. Das heimische Publikum schwächelt nach wie vor. Wer will, dass wir unser Theater behalten, weil hier eine Qualität geboten wird, die Vergleiche mit großen Bühnen nicht zu scheuen braucht, sollte das mit seiner Anwesenheit demonstrieren.
Vera Lengsfeld

Nächste Vorstellungen:
3.Februar, 11. Februar, 19.Februar
Autor: red

Kommentare
nur_mal_so
04.02.2023, 09.50 Uhr
Nichts gegen die Kritik an sich, aber -
- Frau Lengsfeld scheint nicht wirklich zu wissen, was #metoo bedeudet.

"Selbst die härteste metoo-Aktivistin würde ihm folgen": bei #metoo geht es um sexuelle Belästigung, sexuelle Übergriffigkeit, sexuellen Missbrauch, nicht um freiwilliges Folgen.
Wenn in der Inszenierung Zerlina Don Giovanni freiwillig zu folgen scheint (ich habe die Inszenierung nicht gesehen), muss auch Anna als "die Urmutter der me-too-Bewegung" (was ist denn das für eine Metapher?) keine Vergewaltigung daraus machen.

Bedeuten diese Formulierungen im Rahmen einer Don Giovanni-Besprechung für Frau Lengsfeld, dass Frauen, die von sexuellen Belästigungen berichten, #metoo-Aktivistinnen sind, die eigentlich ja doch alles freiwillig wollten?
Eine solche Einstellung fände ich bedenklich.

PS: Woran identifiziert man "Auswärtige"?
diskobolos
04.02.2023, 15.18 Uhr
Ob Lengsfeld
etwas von Musik versteht, kann ich nicht beurteilen. Worum es aber bei #metoo geht, hat sie nicht im Geringsten verstanden. Dass Sie für diese Bewegung eine Abneigung empfindet, verwundert mich bei ihrer bekannten eher rechten Einstellung nicht.
tannhäuser
04.02.2023, 17.20 Uhr
Diskobolos!
Sie dürfen mich zukünftig auch als "Rechts eingestellt" bezeichnen!

Ich habe seit langer Zeit den Newsletter von Vera Lengsfeld abonniert und lese ihn mit großer Zustimmung, meinerseits.
diskobolos
04.02.2023, 18.03 Uhr
Das wundert mich nicht, Tannhäuser
Mir ist aber aufgefallen, dass Rechte sich i. A. nicht gern als rechts bezeichnen lassen, weil sie sich wohl in der Mitte der Gesellschaft wähnen. Bei Linken ist es eher anders.
tannhäuser
04.02.2023, 18.39 Uhr
Wir wissen beide...
...dass die Begriffe "Rechts" und "Links" historisch-parlamentarischem Ursprungs sind, diskobolos.

Deshalb nur 2 Atrribute, die erst relevant werden, wenn ihnen "extrem" angehängt wird.
Peter Lustig
04.02.2023, 20.15 Uhr
Der Beitrag wurde deaktiviert – Gehört nicht zum Thema
Wie Bitte
04.02.2023, 21.23 Uhr
Der Beitrag wurde deaktiviert – Gehört nicht zum Thema des Beitrags
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