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Mi, 19:09 Uhr
13.07.2011

Poor Yorick – Hamlet im Globe

Nicht fotografieren, Handys aus, keine Regenschirme benutzen und viel Vergnügen haben. Das wünschte der Schauspieler Ian Midlane sich und den Zuschauern am vergangenen Samstag im Londoner Globe Theatre. Um es vorweg zu nehmen: alle seine Bitten wurden erfüllt.

Auf der Bühne sind links und rechts des Auftrittstores im Mittelpunkt der Szene Garderobenhaken angebracht, vor denen schlichte Bänke stehen. Acht Akteure betreten die Bretter, welche die Welt bedeuten und bereiten sich auf ihre Arbeit vor. Sie hängen Kostümteile an die Haken, helfen sich gegenseitig in Jacken und scherzen mit den Zuschauern, die erwartungsfroh vor der Bühne stehen.

hamlet (Foto: globe) hamlet (Foto: globe)
Hamlet und Horatio sehen Geister

Zu Shakespeares Zeiten wurden diese Groundlings genannt und waren die Londoner, die sich keine Sitzplatzkarten in den mehretagigen Logen des angesagtesten Vergnügungstempels der pulsierenden Metropole leisten konnten. Jedenfalls bis 1613. Dann brannte das strohbedachte Gebäude bis auf die Grundmauern ab. Ein Ereignis, das den Schlusspunkt auf die wundersam produktive und kreative Theaterära des Elsiabethianischen Theaters setzte. In den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das legendäre Theater nach den Originalbauplänen wieder errichtet und wird seitdem auch regelmäßig bespielt. Die Dramen William Shakespeares werden hier jetzt so aufgeführt, wie man glaubt, dass sie Anfang des 17. Jahrhunderts gespielt wurden.

Acht Schauspieler bieten in knapp drei Stunden das komplexeste Werk des englischen Genies dar, verkörpern alle anfallenden Rollen vom Hamlet bis zum Boten und Totengräber und demonstrieren in einer unglaublichen Ensembleleistung vor allem, wie frisch und aufregend der Stoff um den Dänenprinzen heute noch ist. Und mit welch einfachen Mitteln die Geschichte erzählt werden kann. Dazu dienen die eingangs erwähnten Garderobenbänke, auf denen jene Darsteller Platz nehmen, die gerade nicht dran sind. Die aber, welche gerade agieren, tun es mit einer solchen Intensität, mit so viel Kraft und unbändiger Energie, dass im Publikum vor Anspannung der Atem angehalten wird.

hamlet (Foto: globe) hamlet (Foto: globe)
Ophelia ist verliebt

Joshua Mc Guire als Hamlet ist der einzige, der in dieser Tournee-Inszenierung nur eine Rolle spielt. Alle anderen, von der Ophelia bis zum Polonius, von der Königin bis zum Schauspieler wechseln Kostümteile aus und schlüpfen perfekt in andere Rollen und Charaktere. Amanda Hadingue bspw. verblüfft in ihrer Wandelbarkeit immer wieder. Sie scheint als Gertrud ein völlig anderer Mensch zu sein als in der Rolle des zweiten Totengräbers, den sie ebenso überzeugend vorstellt.

Eindringlich, zügig und impulsiv ist das Spiel des gesamten Ensembles. Mc Guires Hamlet ist nicht der unentschlossen Zaudernde, der bedauernswerte Grübler, sondern ein jugendlich stürmischer Racheengel, der konsequent seinen Plan verfolgt, den Mord an seinem Vater zu sühnen. Jade Anoukas Ophelia ist schwer verliebt in den Dänenprinzen und verzweifelt daran, dass er es nicht bemerkt. John Betts Polonius ist einfach grandios komisch in seinem senilen Altersstarrsinn, den er selbst für Weisheit hält. Die Zuschauer bedauern es zutiefst, dass er schon vor Ende des Stückes sein Bühnenleben aushauchen muss. Doch nicht nur der Senior im Ensemble ist ein überragender Komödiant, auch all die anderen können in jedem Auftritt brillieren.

hamlet (Foto: globe) hamlet (Foto: globe)
Wer andern eine Grube gräbt: die clownesken Totengräber

Wie aber kann mit acht Leuten die berühmte Schauspielerszene aufgeführt werden, in der die fahrende Truppe auf Einflüsterung Hamlets dem versammelten dänischen Hofstaat die Ermordung des alten Königs vorspielt? Auf dass Hamlet und sein Freund Horatio anhand der Reaktion des vermeintlichen Mörders erkennen wollen, ob er schuldig sei oder nicht?

Ganz einfach lösen die Londoner dieses Problem. Hamlet und Ophelia ziehen einen roten Vorhang im Zentrum der Bühne zu. Und wenn sie ihn passend zum Text öffnen, sehen wir einmal die Schauspieltruppe bei ihrer Aufführung und einmal die Reaktionen des Hofstaats – dargestellt von den gleichen Leuten. Einfach, aber genial und vielleicht auch so in Shakespeares Zeit geschehen, in der es die Bühnenverabredung gab, dass wahr ist, was dort behauptet wird.

Wie intensiv das Publikum in den Bann der ja doch allseits bekannten Handlung geschlagen wurde, soll ein Beispiel aus dem letzten Akt bezeugen, als Königin Getrud während des Gefechts ihres Sohnes Hamlet mit Laertes den Becher mit dem vergifteten Wein an die Lippen setzt, woraufhin ein entsetztes Aufstöhnen durchs Publikum ging. Obwohl alle gewusst haben, dass es so kommen wird, waren viele geneigt, der Königin zuzurufen: „Trink’s nicht!“.

Nach einer so großartigen, in sich stimmigen Aufführung wie dieser Hamlet-Inszenierung mit so hervorragenden Akteuren - die nebenbei bemerkt auch noch musizierten auf der Bühne – bin ich geneigt, es dem Schmierentheaterdirektor Striese nachzutun und meinen Schädel per Testament dem Globe Theatre zu vermachen. Dann könnte vielleicht eines Tages ein so begabter Hamlet wie Joshua Mc Guire ihn in der Totengräberszene ergreifen und „Ach, armer Yorick!“ sagen.
Olaf Schulze
Autor: nnz

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