kyffhaeuser-nachrichten.de
Nach mehr als zwei Jahren

Was wurde aus "Peters" Flüchtlingen?

Mittwoch, 24. Januar 2018, 10:00 Uhr
Es ist mehr als zwei Jahre her, da machte eine Nordhäuser Unternehmensgruppe deutschlandweit Schlagzeilen. Die hatten mit der damals akuten Flüchtlingskrise zu tun. Was ist daraus geworden, wie ist der aktuelle Stand? Wir haben nachgefragt...

Das war im März vorigen Jahres (Foto: nnz) Das war im März vorigen Jahres (Foto: nnz)
"Geben Sie mir 30 Flüchtlinge und wir machen eine neue Peter-Klasse". Ein Satz, den Helmut Peter bei einem Treffen im Oktober 2015 Flüchtingskoordinator Peter Altmaier entgegnete. Altmayer war damals Gast bei einem Termin im Duderstädter Mercedes-Autohaus.

Drei Monate später dann der erste "große Bahnhof" in der Skoda-Autowelt: Ein Chef der Bundesagentur für Arbeit, ein Ministerpräsident und darüber hinaus noch alles an lokaler Polit- und Wirtschaftprominenz, was die Region aufbieten konnte. Mittendrin junge Flüchtlinge, die sich auf den Weg zur Berufsausbildung begeben wollten. Einstiegsqualifizierung hieß das Zauberwort zu dieser Zeit. Die Zahl der Willigen wechselte, mal wurde von 16, mal von 14 Syrern, Irakern und Eritreern berichtet.

Monatelang wurden sie unterrichtet, wurden in sie unendlich viel Kraft, Zeit und Geld investiert, doch trotz aller Förderung: die Unternehmensgruppe zahlte drauf, als Gegenleistung gab es immer wieder Filmberichte oder Zeitungsberichte über die Initiative von Helmut und Andreas Peter. Und das nicht nur regional. Mehr Autos allerdings wurden dadurch nicht verkauft.

Der nächste Meilenstein dann am 1. August 2016: Für 16 Männer begann die Ausbildung. In einer extra für sie geschaffenen Klasse und in den Werkstätten der Peter-Gruppe. Alle wollten Kfz-Mechatroniker werden. Neben dem berufstypisch-schulischen Unterricht gab es verstärkt Deutsch, denn immer noch bereitet das Erlernen einer fremden Sprache den Männern, von denen kaum ein Verantwortlicher gesichert den Bildungsstand kannte, viele Schwierigkeiten.

Nach viereinhalb Monaten

In der vorigen Woche waren es dann nur noch neun "Flüchtlingsazubis", die den harten Weg weitergehen wollen. "Natürlich bin ich enttäuscht vom Verhalten derjenigen, die uns verlassen haben. Zwei von ihnen sind in Großstädte abgewandert, ein dritter arbeitet jetzt in einem Imbiss am Taschenberg, ein nächster in einer Großbäckerei in Bleicherode", räumt Helmut Peter im Gespräch mit der nnz ein.

Er hofft, dass die verbliebenen Neun durchhalten, innerlich glaubt er daran vielleicht nicht. Als zusätzlichen Anreiz können die Flüchtlings-Azubis die Fahrschule absolvieren. Nicht ganz einfach, wenn die theoretische und praktische Prüfung in Deutsch absolviert werden muss.

Das Praktische liegt den "Jungs", allerdings ist vielen - das weiß auch der Ausbildungsverantwortliche Achit Tölle - die Theorie ein schier unüberwindlicher Berg. "Sie sind ungeduldig, sie wollen schnell Geld verdienen", sagt Tölle. Die Prognose vor einer Woche: Zwei bis drei könnten vielleicht noch abspringen. Vielleicht. Was sowohl Helmut Peter und Achit Tölle, als auch Berufsschullehrer Rainer Sturm wissen, es ist die Sprache, die den Azubis zu schaffen macht.

Seit diesem Jahr werden die "Peter-Jungs" in einer gemischten, also normalen Klasse am Nordhäuser Berufsschulzentrum unterrichtet. Der Unterricht - am Montag standen Schaltpläne eines Opel Corsa auf dem Stundenplan - wird ohne Rücksicht auf die Flüchtlinge durchgezogen. Ich habe eine Stunde lang hospitiert und war ob der Disziplin in der Klasse überrascht, musste aber auch konstatieren, dass die deutschen Azubis viel weiter in der Verarbeitung des Stoffes sind als ihre ausländischen Banknachbarn.

Nun wollen Berufsschule und Unternehmen noch einmal das Erlernen der deutschen Sprache intensivieren. Eine Lehrerin hatte sich angeboten, Nachhilfe in Deutsch zu geben. Das allerdings geht nicht ohne die Zustimmung des Schulamtes in Worbis. Man werde schnell helfen, hieß es in der vergangenen Woche vom Chef der Behörde, Dr. Althaus. Die Hilfe ist zugesichert. Für Helmut Peter ein Zeichen, dass auch Behörden aus ihrem eigenen Korsett herauskönnen. Im Gegensatz dazu die Nordhäuser Arbeitsagentur, die sich an ein Übermaß an Bürokratie klammere. "Die machen da einfach Dienst nach Vorschrift."

Wenn es hier um die immer noch vorherrschenden Defizite beim Beherrschen der deutschen Sprache geht, dann ist vom Deutsch schreiben auch deshalb nicht die Rede, weil es da kaum Ansätze gibt und diese auch nicht in Sicht sind.

Es ist also noch viel zu tun - sowohl in der Halleschen Straße als auch an der Straße der Genossenschaften. "Wir müssen ihnen immer wieder erklären, wie wichtig eine abgeschlossene Ausbildung in diesem Land ist. Sie ist der Schlüssel für die weitere berufliche Zukunft", sagt Helmut Peter. Betriebswirtschaftlich hat sich sein Engagement bislang nicht ausgezahlt, aber "ich wollte ein Zeichen setzen, damals Ende 2015. Ich wollte nicht nur Sprüche klopfen, sondern machen."

Einst bekam er einen Scheck über 84.000 Euro überreicht. Sicher viel Geld, doch damit musste für die Ausbildungszeit von dreieinhalb Jahren ein Betreuer für die Flüchtlingsklasse finanziert werden und die Agentur, die fördert lediglich die Hälfte des Lehrlingsentgeltes.

Befragt, ob er - Helmut Peter - dieses Programm noch einmal so durchziehen werden, sagt er nachdenklich: In dieser Intensität nicht. Vielleicht mit zwei oder drei Jugendlichen, nicht mehr mit einer ganzen Klasse. Und auch dann nur, wenn die Behörden mitziehen.

Michael Teclom Asmelash (3. von links) ist nicht mehr dabei (Foto: nnz) Michael Teclom Asmelash (3. von links) ist nicht mehr dabei (Foto: nnz) Michael A. (3. von links)

Helmut und Andreas Peter werden ihrerseits das Vorhaben durchziehen. Wie viele von den einst 16 Männern diesen Weg mit ihnen noch gehen, das steht in den Sternen. Während dieser Recherche hatte sich ein weiterer Eritreer anders entschieden. Es ist der einstige "Superstar" der Medien, Michael A. Der Eritreer ist seit 2014 in Deutschland und beherrschte in der Hochzeit des Medienrummels am besten von allen die deutsche Sprache. Seine Integration schien Erfolge zu zeigen. In Wollersleben spielt er Fußball, er hat mittlerweile eine eigene Wohnung, hatte die besten Ergebnisse bei einer Theorie-Vorprüfung zum Führerschein. Dennoch: Michael will nicht noch drei Jahre warten, sondern richtig viel Geld verdienen. In der Großbäckerei in Bleicherode.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2024 kyffhaeuser-nachrichten.de