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1. Öffentlichkeitstag der Suchtkrankenhilfe

Donnerstag, 29. November 2018, 15:59 Uhr
Am Mittwoch, 21.11.2018 fand im Haus Jona der 1. Öffentlichkeitstag der Suchtkrankenhilfe der Diakonieverbund Kyffhäuser gGmbH statt. Ca 30 interessierte Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Institutionen folgten unserer Einladung nach Freienbessingen und erfuhren Informatives zum Thema „Der veränderte Klient- Gibt es ihn wirklich?“. Dazu erreichte kn dieser Bericht...

Wenn man im Jahrbuch „Sucht 2018“ blättert, fallen einem folgende Zahlen auf: „Der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken sank im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um 1,25% auf 133,8 Liter Fertigware pro Kopf der Bevölkerung. Auf den gesamten Alkoholkonsum, gemessen in Reinalkohol pro Kopf, entfallen 5,0 Liter auf Bier, 2,3 Liter auf Wein, 1,8 Liter auf Spirituosen und 0,4 Liter auf Schaumwein.

1 Öffentlichkeitstag (Foto: A.Schwarzer) 1 Öffentlichkeitstag (Foto: A.Schwarzer)

Untersuchungen zu alkoholbezogenen Gesundheitsstörungen und Todesfällen gehen von etwa 74.000 Todesfällen aus, die allein durch den Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol verursacht sind. Die wenigen Berechnungen alkoholbedingter Todesfälle in Deutschland weisen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Unterschätzung auf, denn meist fließen in die Berechnung der Todesfälle, die allein auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind, nur die Diagnosen ein, die zu 100 Prozent auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind.

Dies sind die Todesursachen Alkoholabhängigkeitssyndrom und Leberzirrhose. Eine psychische oder verhaltensbezogene Störung durch Alkohol wurde im Jahr 2016 als zweithäufigste Hauptdiagnose in Krankenhäusern mit 322.608 Behandlungsfällen diagnostiziert, davon waren 234.785 Behandlungsfälle männliche Patienten und 87.820 Frauen. 22.309 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 10 und 20 Jahren wurden 2016 aufgrund eines akuten Alkoholmissbrauchs stationär behandelt, das waren 1,8% mehr als im Vorjahr.
Im Jahr 2000 waren es rund 9.500 Behandlungsfälle in diesen Altersgruppen. Dies bedeutet eine Steigerung von 134,5% auf das Jahr 2016.

Eine Abhängigkeit von Cannabis, Kokain oder Amphetamin haben nach Hochrechnungen des Epidemiologischen Suchtsurveys insgesamt 319.000 Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren. Es sind mehr Männer (260.000) als Frauen (58.000) betroffen. Bezogen auf die Gesamtstichprobe erfüllen jeweils 0,5% der Befragten die DSM-IV-Kriterien für Cannabismissbrauch und -abhängigkeit.

Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle ist im vierten Jahr in Folge gestiegen. Im Jahr 2016 wurden 1.333 Rauschgifttote (+9 % zum Vorjahr) registriert. Das Durchschnittsalter der registrierten Drogentoten bleibt wie im Vorjahr bei etwas mehr als 38 Jahre.
Die Todesursache war hauptsächlich der Konsum von Opioiden/Opiaten allein oder in Verbindung mit anderen Substanzen. 71 Drogentote wurden im Zusammenhang mit Kokain registriert, dies entsprach einem Anstieg von 78 %. Mit der Todesursache „Vergiftung in Verbindung mit neuen psychoaktiven Stoffen“ wurden 98 Rauschgifttote (2015: 39) erfasst.“ (lt. DHS Jahrbuch Sucht 2018) Dies haben wir zum Anlass genommen uns zu fragen: Was hat sich verändert? Daraus resultierend haben wir unseren Öffentlichkeitstag etwas provokant „Der veränderte Klient“ genannt und fragen damit „Gibt es ihn wirklich oder was hat sich verändert bzw. was ist anders geworden?“ Wir haben versucht mit diesem Tag zu klären, ob und was sich verändert hat? Haben sich die suchtkranken Klienten verändert oder hat sich der gesellschaftliche Ansatz die Anforderung verändert?“

Bevor wir mit unseren Vorträgen begannen, hielt Herr Schlegelmilch als unser neuer Geschäftsführer die Andacht.

Das erste Referat hielten die Kolleginnen der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtkranke, -gefährdete und deren Angehörige. Frau Pölzing und Frau Tettenborn haben ihre Wahrnehmungen/ Veränderungen in der täglichen Arbeit mit den Klienten dargestellt. Hier laufen i.d.R. die Klienten erstmalig im Suchthilfesystem auf. Frau Tettenborn hat hierbei den Bereich Sondershausen und Frau Pölzing den Bereich Artern beleuchtet. Gibt es regionale Unterschiede? Wer vermittelt und welches Klientel kommt in der PSBS an?


Danach wurde durch Frau Kapischke das Haus Jona vorgestellt. Hier erfolgt die stationäre Weiterbehandlung. I.d.R. benötigt man für eine Aufnahme nur eine abgeschlossene Entgiftung und eine Kostenzusage vom zuständigen Kostenträger. Ursprünglich war dies eine Einrichtung für alkohol- u./o. medikamentenabhängige Frauen und Männer. Hat sich hier was geändert bzw. wie arbeiten die Kollegen mit dem veränderten Klienten? Welche Strukturen und Therapiemöglichkeiten benötigt der veränderte Klient?

Im Anschluss daran hat Frau Engelhardt das ambulant betreute Wohnen dargestellt. Diese Hilfsmöglichkeit nutzen sowohl Klienten nach einem Aufenthalt in einem Wohnheim oder auch nach einer Langzeittherapie. Die Grundvoraussetzung ist eine Abstinenzfähigkeit, eine abgeschlossene Langzeittherapie (3- 6 Monate) bzw. ein Aufenthalt in einem Wohnheim. Auch hier hat man mit veränderten Klienten zu tun. Wie gelingt hier die Wiedereingliederung? Welche Hilfen und Strukturen bedarf der veränderte Klient? Was hat sich an den Klienten verändert?


Im Anschluss an die Referate gab es die Möglichkeit zu einem regen Erfahrungsaustausch, der auch genutzt wurde. Man kam schnell zu dem Schluss, dass nicht nur der Konsum von illegalen und legalen Drogen die Klienten verändert. Vielmehr ist es das z.Z. vorherrschende Konsumverhalten, was sowohl körperlich/ psychische Veränderungen bei den Klienten hervorruft und auch die gesellschaftliche Veränderung. Jeder erlebt es sowohl im Alltagsgeschäft als vielleicht auch im persönlichen Umfeld.

Ein Großteil der Klienten entstammt leider schon aus der ersten Generation Hartz IV. Sie haben vielleicht auch wegen Resignation der Eltern wenig Normen und Werte erlernt und orientieren sich dann an Peergruppen. An sich nichts schlechtes, wenn man eine gewisse Grundstabilität in der eigenen Person hat. Aber wer hat das mit 11-13 Jahren schon? Das andere Problem ist ein sehr hoher Leistungsanspruch und Leistungsdruck, der sehr früh zu aufputschenden Sachen greifen lässt.

All das sind Veränderungen mit denen sowohl die Klienten als auch die Mitarbeiter der helfenden Institutionen tagtäglich konfrontiert werden und sich somit immer häufiger die Frage stellen: „Hat sich das Klientel geändert?“ Die Antwort ist ein klares „Ja“ Ja, es gibt sowohl Veränderungen im Konsumverhalten der Klienten und damit auch vermehrt psychische/ körperliche und soziale Auffälligkeiten aber auch Veränderungen, die sich in unserer gesellschaftlichen Mitte zutragen. Trotz all der Veränderungen ist es aber weiterhin wichtig, dass man vor diesem auch tödlich verlaufenden Krankheitsbild nicht die Augen verschließt, sondern weiterhin Hilfe anbietet. Wichtig ist und bleibt die Hilfe zur Selbsthilfe

1 Öffentlichkeitstag (Foto: A.Schwarzer) 1 Öffentlichkeitstag (Foto: A.Schwarzer)

Nach einer gemütlichen Kaffeepause mit selbstgebackenem Kuchen und der Möglichkeit Selbstgeschlachtes im Hofverkauf oder Erzeugnisse aus der Ergotherapie zu erwerben, brachte Herr Kratz den Teilnehmern die verschiedenen Suchtstoffe mittels des mitgebrachten „Drogenkoffers“ nahe. Hier wurde sehr deutlich, welche Probleme die einzelnen Suchtstoffe hervorrufen können. Bei diesem Teil der Veranstaltung brachten sich auch Bewohner des Wohnheimes mit ihren eigenen Erfahrungen ein und konnten somit zu einem sehr informativen und lebensnahen Referat beisteuern.

Zum Schluss des Öffentlichkeitstages konnte sich die Einrichtung angesehen werden. Frau Kapischke zeigte ca. 15 Teilnehmern die Einrichtung und beantwortete auftretende Fragen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Referenten für die dargebrachten, informativen Referate bedanken. Gleichzeitig gilt mein Dank an die Mitarbeiter*innen des Haus Jona, die bei der Vorbereitung und Ausgestaltung des Öffentlichkeitstages aktiv mitgewirkt und somit unsere Einrichtung dargestellt haben. Auch bedanke ich mich an dieser Stelle bei den Klientinnen und Klienten des Wohnheims für ihre Unterstützung.

Text und Fotos: A.Schwarzer
Heimleiterin/ Fachbereichsleiterin Sucht
Autor: khh

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