kyffhaeuser-nachrichten.de
Apokalyptisches Szenario

Das Sterben der Rot-Buche

Donnerstag, 04. Juli 2019, 22:30 Uhr
Die Rot-Buche (Fagus sylvatica) gilt als die Baumart des klimatisch gemäßigten, überwiegend atlantisch geprägten Mitteleuropa. Sie ist an unseren Küsten (Rügen) genauso flächendeckend zu finden wie in Teilen des Flachlandes und der Mittelgebirge bis hinauf in über 600 Metern Höhe (zum Beispiel im Elendstal zwischen Schierke und Elend)...

Rotbuchenbestand im Alten Stolberg (Foto: Bodo Schwarzberg) Rotbuchenbestand im Alten Stolberg (Foto: Bodo Schwarzberg) Noch alles in Ordnung? Ein Rot-Buchenbestand im Naturschutzgebiet Alter Stolberg (2010) ohne forstliche Bewirtschaftung: Solche Bilder könnten schon bald der Vergangenheit angehören.

Sie ist im westlichen Mitteleuropa ebenso beheimatet wie im östlichen Mitteleuropa und sie prägt weithin die Waldlandschaften in Schweden.

Und ausgerechnet dieser Baum stirbt nun weithin ab. Die Bedeutung dieses Szenarios kommt im gestrigen Beitrag über die Buche in Thüringen zu kurz.

Denn da sie neben der wirtschaftlich bereits abgeschriebenen Fichte als bestimmt zweithäufigste Forstbaumart vom klimawandelbedingten Waldsterben betroffen ist, bedeutet das unter dem Strich nichts anderes, als dass wir möglicherweise schon in wenigen Jahren fast komplett ohne Wald dastehen könnten. Geradezu unbeholfen klingt es im nnz-Beitrag, wenn sich die Forstleute nun über die noch erstaunlich vitale Naturverjüngung der Buche freuen, dass sie also auf die Natur, statt auf selbst organisierten Waldbau setzen.

Der enorme Verlust für die Holzwirtschaft durch Massenanfall von Holz in kürzester Zeit, durch Schädlingsbefall noch lebender Bäume und durch die komplette Zerstörung aller Gewinnpläne für Jahrzehnte zeigt, dass Ökologie, sofern man ihre Gesetzmäßigkeiten nicht Jahrzehnte mit Füßen getreten hätte, die beste Garantie für langfristige Gewinne gewesen wäre.

Doch wie überall in der Wirtschaft: Das Maximum muss aus den bestehenden Ressourcen in möglichst kurzer Zeit herausgepresst werden. Das führt nun zum die ganze Biosphäre bedrohenden Klimawandel und damit zum zunehmend globalen Waldsterben 2.0. Nun aber haben wir das Maximale an Schaden.

Das erste Waldsterben war in den 70er Jahren vom Schwefeldioxid ausgelöst worden, jedoch überwiegend bei Fichte und Tanne und auf einige Industrieländer begrenzt. Nun aber vertrocknen Fichten, Buchen, Kiefern, Eichen und Ahorn…, der eine mehr, der andere noch etwas weniger.Kaum eine heimische Baumart erscheint noch sicher.

Längst ist bekannt, dass ein naturnaher Laubmischwald anpassungsfähiger ist, als Monokulturen. Viel liegendes Totholz speichert enorme Mengen Wasser, das bei langanhaltender Trockenheit in Verbindung mit dem vielfach dichteren Blätterdach zu wichtigen Feuchteinseln in den Wäldern führt. Doch Tot- und Altholz ist in vielen Wirtschaftswäldern ein seltenes Gut geworden, da Bäume vielfach keine Chance bekommen, eines natürlichen Todes zu sterben.

Die Folgen des Buchensterbens sind noch gar nicht absehbar. Schauen Sie sich den Südharz an, wenn Sie von Nordhausen in Richtung Netzkater fahren. Auch dort vegetieren viele Buchen mit kleinen, verschrumpelten, graugrünen statt frischgrünen Blättern, komplett abgestorben oder "nur" mit trockenen Ästen vor sich hin. Gipssteinbrüche scheinen das Sterben der Buchen in ihrem nächsten Umfeld durch eine weitere Aufheizung des Mikroklimas noch zu forcieren.

Und weiter oben im Harz stoßen wir, statt auf rauschende, grünbelaubte und sich im Wind elastisch biegende Fichtenbestände, auf steife, grau-braune Baumskelette, die im Sommer keine Kühlung mehr geben.

Was aber kann passieren, wenn der Wald dort verschwunden sein wird, wenn also der Fall eintritt, den manche Ökologen bereits für Mitteleuropa, Versteppung genannt, voraussagen?

Erosionsgefahr bei klimawandelbedingten Starkregen, weitere Aufheizung des Lokalklimas durch fehlende Wasserverdunstung aus den kranken oder toten Wäldern, Verluste kaum gezählter, waldgebundener Tier- und Pflanzenarten, Niedergang eines jeden Tourismus und Erholungseffektes für uns Menschen unter einem kühlenden Blätterdach.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch der Glaube der Forstleute an einen Ersatz der bei uns typischen Baumarten durch trockenresistente. Denn niemand weiß, wie auch diese auf eine prognostizierte Temperaturerhöhung von 3-5 Grad in nur 100 Jahren, auf zunehmende Stürme, Hitze von wochenlang 35 bis 45 Grad und Extremregen reagieren. Ein solches Tempo bei Umweltveränderungen hat die Evolution einfach nicht vorgesehen.

Und davon ganz abgesehen: Längst wird von Ökonomen berechnet, wie stark die Wirtschaftsleistung insgesamt durch all dies sinken, Fehltage auf Arbeit und Spannungen weltweit um die kostbaren letzten biologischen Ressourcen und das Wasser zunehmen werden.

Vielleicht kommen wir allmählich an die Grenzen auch menschlicher Anpassungsfähigkeit und menschlichen Einfallsreichtums. Und was kommt danach?

Mich wundert, dass die Forstexperten nicht erwähnen, dass es durchaus Buchen gibt, die selbst an trockenen Südwesthängen des Alten Stolbergs erstaunlich gut und offenbar gesund belaubt dastehen.

Bekanntermaßen weist die Buche eine große genetische Vielfalt und damit Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Klimate auf. Von daher ist es wohl richtig, wenn die Forstwirtschaft zunächst auch auf die Naturverjüngung der Buche setzt. Vielleicht etablieren sich Genotypen, die noch ein weiteres Grad Erwärmung vertragen.

Man sollte auch versuchen, Buchen aus dem kontinentaleren Ostmitteleuropa und Südeuropa auf ihre Anpassungsfähigkeit an ein trocken-heißes Klima bei uns zu testen, bevor man Stein-Eichen, Rot-Eichen oder Douglasien pflanzt. Der Baum siedelt in Sizilien, Südostpolen und auf dem Balkan, wo es teilweise sommerheißes und –trockenes Mittelmeerklima gibt.

Denn es geht nicht nur um den verengten Fokus auf die Buchenwirtschaft. Es geht auch um die Erhaltung der Artenvielfalt, die unmittelbar an unsere heimischen Wälder und deren Baumarten gekoppelt ist und auch um ein Stück vertraute Heimat. Fremde Baumarten zu etablieren, dürfte zu enormen weiteren Artverlusten bei heimischen Tier- und Pflanzenarten führen.

Wir sollten bei allen Entscheidungen also möglichst viele relevante Faktoren berücksichtigen, um weitere Schäden zu begrenzen.

Unter dem Strich bleibt wohl nur eins: Weg von den fossilen Brennstoffen und von der Ressoucenverschleuderung. So schnell es geht. Und ein Aufwachen jener Parteien, die jahrzehntelang an der Macht waren, mit Lobbyisten Kaffee getrunken und wissenschaftliche Fakten ignoriert haben, zu Lasten letztlich auch ihrer Wähler und deren Lebensgrundlagen. In Deutschland und in der Welt. Denn damit aber haben sie auch der Demokratie mittelfristig möglicherweise einen Bärendienst erwiesen.
Bodo Schwarzberg
Autor: red

Drucken ...
Alle Texte, Bilder und Grafiken dieser Web-Site unterliegen dem Urherberrechtsschutz.
© 2024 kyffhaeuser-nachrichten.de