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Gedanken zum Gedenken

Mittwoch, 02. Oktober 2019, 07:29 Uhr
Zum anstehenden Tag der Deutschen Einheit denken wir mal über ein Denkmal nach, das es zu diesem Anlass eigentlich geben sollte. Oder genau genommen, sogar zwei.

Der gestotterte Versprecher des ZK-Mitglieds Günther Schabowski in einer denkwürdigen Pressekonferenz leitete im Herbst 1989 nach vier Jahrzehnten der Teilung die Deutsche Einheit ein, die mit der offiziellen Angliederung der neuen Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an die Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 feierlich besiegelt wurde.

Ein würdiger Anlass, dem auch zukünftig gedacht werden müsste. Das war jedenfalls die Meinung vieler engagierter Bürger, die immer wieder ein Denkmal, einen Ehrenort oder etwas anderes physisch Greifbares zur Erinnerung an die friedliche Revolution forderten.

Es dauerte 17 Jahre, bis der Bundestag des deutschen Volkes im Jahre 2007 endlich beschloss, zwei Einheitsdenkmäler zu errichten. Eines sollte die Bundeshauptstadt zieren, das andere den Ursprungsort der Proteste, Leipzig. 2008 wurde das Bekenntnis im hohen Hause noch einmal bekräftigt. Nach vielen Sach- und Fachdebatten wurde ein geeigneter Ort vor dem rekonstruierten Berliner Schloss für tauglich befunden, wo unter dem Titel „Bürger in Bewegung“ eine riesige begehbare Waage entstehen sollte. Einweihungstermin für das von den Berlinern gleich „Einheitswippe“ genannte Denkmal sollte der 9. November 2019 sein, also der 30. Jahrestag des Mauerfalls.

2016 schließlich stoppte der Haushaltsausschuss eben jenes Bundestages das Projekt, weil die Kosten inzwischen von 10 auf 15 Millionen Euro gestiegen waren. Zur gleichen Zeit wurden vom Bund aber 18,5 Millionen Euro bereitgestellt, um historische Kolonnaden am geplanten Bauplatz zu rekonstruieren. Seit über einem Jahr spricht selbst in der Presse niemand mehr über die „Wippe“. Die Grundstücksfrage zwischen dem Berliner Senat und dem Bund sei nicht geklärt, hieß es im April 2018. Die Kulturstaatssekretärin solle zudem ein neues Finanzierungskonzept für das stetig teurer werdende Objekt vorlegen. Offenbar hat Frau Grütters dafür bis heute noch keine Zeit gefunden. Eine überraschende Fertigstellung des Bauwerks noch vor dem 9. November steht nicht zu befürchten und scheint derzeit so wahrscheinlich, wie die Eröffnung des Flughafens BER noch in diesem Jahr.

Doch nicht nur in Berlin hat es der „Einheitsgedenk-Gedanke“ schwer. Auch in der „Heldenstadt“ Leipzig, wo alles seinen Anfang nahm im Sommer `89, existiert bis heute kein Denkmal zu diesem epochalen Ereignis. In der sächsischen Metropole gibt es ebenso viele dubiose Verhinderungsgründe wie in der Bundeshauptstadt. Das Verfahren um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal war 2014 gescheitert, als ein künstlerischer Gestaltungswettbewerb um die Realisierung abgebrochen und das Vergabeverfahren beendet wurde. Eines der beteiligten Architekturbüros klagte, weil sein Denkmalsentwurf nicht gewann. Das Oberlandesgericht in Dresden gab daraufhin dem Kläger recht.

Nun kümmert sich in Leipzig eine zivilgesellschaftliche „Stiftung Friedliche Revolution“ um die Sache, verspürt aber nach eigener Aussage keinerlei Zeitdruck. Zwar fanden die Stiftungsmitarbeiter per Umfrage heraus, dass 80% der Leipziger sich ein solches Denkmal wünschen, aber in diesem Jahr bietet die Stiftung erst einmal ein „festival for change“ an.

Der Weg zur Deutschen Einheit war und ist also ein steiniger, wie diese beiden Beispiele beweisen. Und dennoch: er muss weiter gegangen werden.
Olaf Schulze
Autor: red

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