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Nnz-Betrachtung

Warum wir das Klima nicht retten werden

Freitag, 04. Oktober 2019, 17:00 Uhr
Die Regierungen dieser Welt sollen endlich mehr tun, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Die Forderung das Thema endlich global anzupacken ist in den letzten Monaten immer lauter geworden. Doch es steht zu befürchten das all die Warnungen und Forderungen nutzlos verhallen werden. Denn wenn man wirklich etwas ändern wollte, müsste man an den Grundfesten der Weltordnung rütteln...

Foto: AronHerne/pixabay.com

Es wird endlich angepackt. Im globalen Schiffsverkehr zum Beispiel. Die internationale Seeschifffahrtsorganisation hat neue Regeln erlassen, die zum 1. Januar 2020 in Kraft treten werden und den globalen Blutkreislauf der Weltwirtschaft auf dem Meer etwas sauberer gestalten sollen. Mehrere Milliarden wurden international ausgegeben, um Containerschiffe und Tanker mit sogenannten „open loop scrubbers“ auszurüsten. Die Geräte sollen den Abgasen der Schiffe Schwefel entziehen und sie für die neuen Standards fit machen.

Blöd nur wenn die großen Reedereien dabei "schummeln" und die Sache mit dem Umweltschutz einfach umgehen. Insgesamt 3.756 Schiffe wurden mit den „scrubbbers“ ausgerüstet, stand diese Woche in der britischen Zeitung „The Independent“ zu lesen. Das Problem: statt den Dreck in die Luft zu schleudern wird der im Meereswasser entsorgt. Lediglich 23 Schiffe wurden mit einem geschlossenen System ausgestattet, das die Schadstoffe in gesonderten Tanks lagert um sie dann in entsprechenden Anlagen ordentlich entsorgen zu können, schreibt der „Independent“. Die offenen Systeme würden hingegen dafür sorgen das pro Tonne verbrauchten Treibstoffes 45 Tonnen warmes, kontaminiertes und säurehaltiges „Waschwasser“ in die Meere fließt, Karzinogene und Schwermetalle inklusive.

Das „International Council on Clean Transportation“, eine Nicht-Regierungsorganisation mit Sitz in Brüssel, geht demnach davon aus das die so ausgerüsteten Schiffe im Jahr 2020 rund vier Millionen Tonnen Schweröl verbrauchen werden und rund 180 Millionen Tonnen verseuchtes Wasser über Bord kippen. Ein kleiner Lichtblick: sowohl die Vereinigten Arabischen Emirate wie auch China, Belgien, Irland, die USA und Deutschland haben Verbote zum ablassen der giftigen Fracht erlassen. Regional begrenzt, versteht sich.

Die kleine Episode zeigt eines der allgemeinen Probleme in der aktuellen Debatte, das nicht wirklich wegzudiskutieren ist und für das meines Wissens nach keine praktikable Lösung auf dem Tisch liegt. Wenn man mit der Klimarettung wirklich ernst machen würde, müsste man die grundlegenden Wirkmechanismen der globalisierten Welt umstellen. Der Warenverkehr zu Wasser, zu Land und in der Luft ist da nur einer der ganz dicken Brocken. Die Warenproduktion als solche, getrieben von möglichst billiger Arbeitskraft und stetig steigender Produktivität, müsste umgestaltet werden und das weltweit.

Das Primat der Politik ist gesellschaftliche Stabilität durch wirtschaftlichen Wohlstand, das Primat der Wirtschaft ist Profit. Letztlich leben wir in einer durchkapitalisierten Welt, auch dort wo man andere „-ismen“ vor sich her trägt. So lange der „alte Weg“ günstiger kommt als die „grüne“ Alternative, wird man den eingetretenen Pfaden folgen. Wo satter, zeitnah abgreifbarer Gewinn winkt, wird man sich nicht ernsthaft mit Langzeitfolgen auseinandersetzen. Das ist die dem System immanente Logik. Mit der materiellen Revolution in der Produktion müsste eine breiter, gesellschaftlicher Mentalitätswandel einhergehen, der nicht länger nach „mehr, besser und günstiger“ verlangt, der Verzicht zur Tugend erklärt und schwer vermittelbar sein dürfte, insbesondere wenn er „von oben“ oder gar von dritter, supranationaler Seite, aufoktroyiert würde. Den Pfad der neumodernen Welt- und Wirtschaftsordnung, der wir seit ein paar Jahrhunderten folgen, zu verlassen, birgt Risiken, die dem Primat von Politik und Wirtschaft entgegenstehen, auch wenn ein solcher Schritt langfristig dringend geboten wäre und laut warnend gefordert wird.

Ein Blick in die Geschichte lehrt das die Menschheit noch (fast) jeder Katastrophe steten Schrittes und sehenden Auges entgegen gegangen ist, auch wenn sie, ein ums andere mal, zu verhindern gewesen wäre. Öffentlichkeitswirksam ein paar Bäume zu pflanzen ist Angesichts des Ausmaßes der zu erwartenden Umwälzungen weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein, so löblich und wohlmeinend solche Aktionen auch sein mögen. Mit ein paar Plakaten durch die Städte zu ziehen und das justieren einiger Stellschrauben zu fordern wird ebenso unwirksam bleiben, wenn sich der Protest nicht in Wahlergebnissen signifikant niederschlägt und damit ist, global betrachtet, wohl eher nicht zu rechnen. Werden beide Herangehensweisen, die praktische und die außerparlamentarisch-politische, gegeneinander ausgespielt, ist das umso betrüblicher.

Einigkeit wäre hier schon ein Anfang, zumindest für den Beginn eines mentalen Transformationsprozesses. Ein philosophischer Unterbau, wie er für die gesellschaftlichen Veränderungen seit der französischen Revolution existiert hat, scheint im Moment nicht greifbar, mag aber im Entstehen begriffen sein. Vielleicht. Wie lange würde es dauern bis sich ein „neues Denken“ in den Köpfen der Menschen festsetzt? Bis gewohnte Wege bewusst verlassen werden? Folgt man dem Beispiel unseren bisherigen Geschichte muss die Anwort lauten: Jahrzehnte mindestens, eher Jahrhunderte, begleitet von Leid, Kummer, Krieg und Hunger. Wahrscheinlich muss die Menschheit auch erst diese Krise durchwaten und den Karren vor die sprichwörtliche Wand fahren, bevor sie handelt. Aber da spricht der Pessimist in mir.
Angelo Glashagel
Autor: red

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