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Eine nnz-Betrachtung von Olaf Schulze

Thüringer Polit-Theater

Dienstag, 18. Februar 2020, 18:15 Uhr
Die Welt, sofern sie davon Kenntnis nimmt, erlebt derzeit ein spektakuläres Drama auf der politischen Bühne in Erfurt. Von einer anfänglich tragischen Ausrichtung verwandelt sich der Charakter der Handlung immer mehr ins Komische bis hin zum Grotesken. Für den unbeteiligten Betrachter eine willkommene Abwechslung im sonstigen Einerlei des demokratischen Parlamentarismus…

Polittheater (Foto: Eva Wiegand) Polittheater (Foto: Eva Wiegand)

I.Akt
Im Mittelpunkt der Tragödie, so lehrten es uns die alten Griechen, steht ein unlösbarer Konflikt, der zum unausweichlichen Untergang des tragischen Helden führt. Insofern bot die historische Ministerpräsidentenwahl am 5. Februar mit ihrem überraschendem Ausgang gleich mehrere als „Tragischer Held“ geeignete Personen. Da hätten wir den unverhofft abgesetzten Bodo Ramelow oder den noch überraschteren neuen MP Thomas Kemmerich. Aber auch dessen Parteivorsitzender Christian Lindner käme in Frage, der, übertrieben reuig, seine ganze Partei in die Bedeutungslosigkeit zurückführt. Etwas enttäuscht über seinen Rollenverlust dürfte Mike Mohring von der heimischen CDU sein, der schon im Wahlkampf die Rolle des tragisch Scheiternden eindrucksvoll gegeben hatte und nun angesichts der dynamischen Entwicklung des Handlungsplots zum Statisten verkommt.

II. Akt
Eine Posse ist eine Spezialform der Komödie und ein Bühnenstück, das auf Verwechslungen, ulkigen Zufällen sowie unwahrscheinlichen Übertreibungen basiert und durch derbe, leicht durchschaubare Komik im Publikum Lachen erzeugen soll. In dieser Phase des Politstückes befinden wir uns jetzt gerade. Weil die Situation völlig verfahren ist und die Handlung zu stocken droht, überbieten sich die Protagonisten dieses Aktes in skurrilem Humor. Der Kemmerich darf noch, will aber nicht mehr, der Ramelow darf nicht mehr, will aber noch. Mohring darf nicht und kann nicht, will vielleicht auch nicht mehr und die anderen Darsteller warten gespannt in der Kulisse, was sich noch so tut.

Und rumms, greift der jugendliche Held Ramelow zwei Tage vor Weiberfastnacht in die Trickkiste und zaubert einen neuen Kasper, …äh, Kandidatin ans Licht. Die war seine Vorgängerin als Ministerpäsidentin und hat für ihre neue Aufgabe einen so passenden Namen, wie ihn sich kein Shakespeare für seinen Clown hätte besser ausdenken können. Die Frau Lieberknecht, so Bodo Ramelows Kalkül, kann, aus Mangel an anderer Beschäftigung, auch vorübergehend seine Nachfolgerin werden, bis er endlich in Neuwahlen mit großer Mehrheit zurück in das nur für ihn allein bestimmte Amt gewählt werden wird. So denkt der schlaue Fuchs und ein losbrechender Beifallssturm im deutsche Blätterwald bestätigt ihn darin.

III. Akt
Noch ist das Ende des Politthrillers nicht abzusehen, doch wir nähern uns mit rasanten Schritten dem Finale, in dem laut altgriechischer Theaterkunde die moralische Reinigung, die Katharsis, erfolgen wird. Die könnte so aussehen, dass eine Übergangsregierung aller im Landtag vertretenen Parteien (natürlich außer der AfD - denn darum geht es ja schließlich in dem ganzen Drama, dass die nicht mitspielen dürfen) einen Haushalt des Bundeslandes Thüringen für das Jahr 2021 beschließen wird und sich danach sofort wieder auflöst. Dabei werden einige der Haupthandlungsträger noch auf der politischen Strecke bleiben, wie sich das für einen ordentlichenThriller nun mal gehört.

Für den Fall, dass sich das Geschehen einmal nicht richtig auflösen lässt, hatten die Griechen übrigens vorgesorgt und ließen einen Gott aus dem Bühnenhimmel herniedersausen, der als deus ex machina Kraft seiner Macht alles zum Guten richtete. In dieser Rolle brilliert seit fünfzehn Jahren eine Uckermärker Pastorentochter und wird all ihre Erfahrung ausspielen, das Drama nach ihren Wünschen zu beenden.

Natürlich sind ihre Wünsche nicht identisch mit denen aller übrigen Beteiligten. Und wenn es der Göttin angemessen erscheint, dann wird der jetzige Landtag vielleicht auch noch die Haushalte für 2022 und 2023 beschließen. Übergangsweise, versteht sich. Unser Held Bodo müsste sich dann noch etwas gedulden, bis er sich die Thüringer Krone wieder aufsetzen kann.

Das ist aber eher unwahrscheinlich. Vermutlich geht unsere Provinzposse, denn als solche entpuppt sich das Ganze gerade, anders aus. Wie jede Partei dabei ihr Gesicht zu bewahren versucht, wird aus der Wählerperspektive interessant sein zu beobachten.

Nur das Popcorn für die Zuschauer wird langsam knapp. Nicht wegen sozialistischer Mangelwirtschaft unter der Regierung Ramelow, sondern weil die AfD schon alles aufgekauft, und es sich in der ersten Reihe bei der Aufführung dieses Theaterstücks gemütlich gemacht hat.
Olaf Schulze
Autor: osch

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