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Ein Krimi und die Polizei lässt es geschehen

Mercedes auf dem Weg nach Polen

Mittwoch, 15. Juli 2020, 08:36 Uhr
Wer einen Mercedes-Benz C63 S V8 Biturbo sein eigen nennt, kann sich zwar glücklich und zufrieden schätzen. Aber: auch andere Menschen werfen einen Blick auf derartige Karossen und fahren dann in Richtung Polen weiter. Und die Polizei...

Das bleibt als Erinnerung (Foto: privat) Das bleibt als Erinnerung (Foto: privat)
Der Tag begann ganz normal, nur ein Arzttermin stand auf dem Programm und das Auto für die Abfahrt nach der Blutabnahme schon vor der Garage. Nach der fußläufigen Rückkehr vom Arzt war das Auto vor der Tür verschwunden.

Horst W. zweifelt und ruft erst in seiner Firma an, ob er morgens doch schon mit dem Fahrzeug in den Betrieb gefahren sei und sich nicht mehr erinnern kann. Amnesie? Die Antwort aus dem Hörer bestätigte, dass der C63 nicht auf dem Betriebsgelände stand. Auto weg, aber beide Fahrzeugschlüssel noch im Haus.

Wie geht das? Anruf bei der Northeimer Polizei, die nach 10 Minuten vor Ort war. Die Befragung von den Nachbarn in dem dichtbesiedelten Wohngebiet ergab nur, dass es hieß: „Na ja, wenn Sie damit wegfahren, ist es ja nicht zu überhören!“ Vorwurf oder Feststellung, egal, eine Aufklärung war es nicht. Auf Nachfrage der Polizei, ob das Fahrzeug mit einer APP verbunden sei, stellte Horst W. fest, dass er vor dem Arztbesuch, sein Handy im Betrieb hat liegen lassen.

Dort angekommen ging es dann richtig los: Anruf beim hinterlegten bevorzugten Händler, die Autohaus Peter Gruppe. Dort schaltete sich eine Mitarbeiterin direkt auf die APP und konnte das Fahrzeug orten, das gleiche passierte dann auch auf dem Handy in Northeim. Zu fünft war man in beiden Städten "aktiv": ein Polizist verfolgte den C63 am Handy, Horst W. und die Mitarbeiterin vom Autohaus Peter am PC, die Ehefrau saß mit Straßenatlas daneben und verfolgte den gefahrenen und vermutlichen weiteren Weg und Polizist Nr. 2 rief die Kollegen im Brandenburgischen an, denn da war der C63 bereits angekommen.

Die zwei Northeimer Polizisten sind super, denn dort geht alles Hand in Hand, aber leider ist es bei der Polizei zwischen Lauchhammer und Bad Muskau total anders: "Permanent gaben wir die Daten durch, wo sich das Fahrzeug befindet – ob es fährt oder gerade steht. Immer die gleiche Reihenfolge: GPS-Position, Blick in die Karte, Anruf bei den Polizisten im Land Brandenburg", erinnert sich die Mitarbeiterin der Peter-Gruppe. Koordiniert wurde laut der Polizei Northeim alles von der Leitstelle Potsdam. Potsdam? Das Auto war in der Region Cottbus unterwegs. Horst W. flehte „Bitte schicken Sie doch da ein Streifenwagen hin, jetzt steht er in Lauchhammer. Da ist eine Halle.“

Anruf bei den Brandenburgern – sie sind informiert. Nach 20 min fährt der C63 wieder, sagt der Polizist mit dem Blick auf die APP. Nächster Stopp in Schwarzheide in der Hauptstraße. Per Satellit konnte man sehen, dass in dieser Straße eine „Auto-Bude“ ist. Wird der C63 jetzt zerlegt? Wieder Anruf bei der brandenburgischen Polizei mit der Info über den Standort. Was passiert? Nichts! Kein Streifenwagen, nichts. Das Auto steht fast eine Stunde da, dann setzt er sich wieder in Bewegung. Blick auf die Straßenkarte ergibt…. auf nach Polen. Parallel ruft Horst W. beim zentralen Kundendienst Merdes-Benz in Maastricht an. Die Idee: „Wir lassen die im Fahrzeug verbaut SIM-Karte orten, bevor sie irgendwann jemand ausbaut“. Antwort von Mitarbeiter: „Das geht nicht! Die SIM-Karte unterliegt dem Datenschutz: Dafür brauchen Sie einen staatsanwaltschaftlichen Beschluss!“

Wie bitte? In 60 km ist das Auto in Polen und das geht mit 510 PS wirklich schnell. Nächste Idee „Bitte lösen Sie in dem Fahrzeug den serienmäßig verbauten Notruf aus!“ Antwort von Mercedes-Benz Zentraler Kundendienst „Das ist verboten!“ Unglaublich! Über welchen Grenzübergang wird er fahren – Cottbus oder Bad Muskau? Die GPS-Daten ergeben, Bad Muskau wird es sein.

Horst W.: „Mensch, informiert den Grenzschutz, den Zoll oder irgendwen. Es sind nur noch 30 km, dann ist mein Auto in Polen!“ Was passiert? Wieder nichts! Also hilft nur noch eins – selbst kümmern. Ein Anruf beim Mercedes-Partner vor Ort in Spremberg, da das Auto nach dem einstündigen Aufenthalt in der Auto-Bude wieder zum Stehen gekommen ist. Geschwister-Scholl-Str. Ein Service-Mitarbeiter des Autohauses fährt los, um nach dem Auto zu schauen. Die Northeimer Polizei gibt noch Hilfestellung, was man nicht tun sollte, wenn man das Auto sichtet, damit nicht noch etwas Schlimmes passiert. Leider zu spät und so ist ein schönes Auto bei freier Fahrt ohne polizeilichen Eingriff nach Polen „überführt“ worden.

Das Schlimmste: die ganze Aktion hat 4,5 Stunden gedauert. Es wäre genug Zeit gewesen, dass Auto auszubremsen. Das sieht nicht nur Horst W. so, sondern auch die Mitarbeiter von Mercedes-Benz der Autohaus Peter-Gruppe in Nordhausen, die quasi über den Bildschirm auch live dabei waren. Sein Auto wird Herr W. wohl nicht wiedersehen.
Autor: psg

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