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Mit lachenden und weinenden Augen

Bewegende Verabschiedung von Kristóf Bálint

Montag, 16. November 2020, 12:06 Uhr
Es ist ein üblicher Vorgang, dass in bestimmten Berufen nach einer längeren Zeit ein Wechsel in der Tätigkeit erfolgt. So auch bei Kristóf Bálint...

Verabschiedung Superintendent Bálint (Foto: Peter Zimmer Bad Frankenhausen) Verabschiedung Superintendent Bálint (Foto: Peter Zimmer Bad Frankenhausen)


Er hat nicht auf dem direkten Wege zu seinem Pfarrerdasein gefunden. Von der 5. bis 10. Klasse hat der neben der Schulausbildung sich für Judo interessiert und es zu Erfolgen gebracht, die zur Nationalauswahl der DDR führen sollten.

Doch da er sich aus christlicher Überzeugung nicht für den Dienst in der NVA, sondern für die „Bausoldaten“, später die Totalverweigerung des Wehrdienstes und nicht für den Eintritt in die SED entschied, kam er als Nationalkader nicht infrage.
Er lernte Koch (davon profitierte die Frankenhäuser Kirchengemeinde. er kreierte das dreigängige Orgelmenü im Zusammenhang mit der Sanierung der großen Strobel-Orgel), absolvierte die Diakonen-Ausbildung und nach fünf Jahren Dienst als Diakon durfte er, mit der Anerkennung seiner Diakonen-Ausbildung als Fachabitur, Theologie studieren und ging danach ins Pfarramt.

2012 kam er als Superintendent zum Kirchenkreis Bad Frankenhausen – Sondershausen. Im Frühsommer dieses Jahres wurde er als Generalsuperintendent (entspricht in der EKM dem Regionalbischof) in der Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) gewählt. Acht Jahre intensive Arbeit mit Höhen und Tiefen sind damit im hiesigen Kirchenkreis beendet. Am 8. November fand nun der „Entpflichtungsgottesdienst“ (Verabschiedung) in der Unterkirche Bad Frankenhausen statt. Coronabedingt musste sich auf das Notwendigste beschränkt werden – trotzdem war es ein bewegender Gottesdienst.

Die Besucher aus Nah und Fern wurden vor der Kirche mit Posaunenmusik empfangen, in der Kirche gab es nur durch die Kantoren des Kirchenkreises musikalische Beiträge und Orgelmusik. Superintendent Kristóf Bálint legte seiner Predigt ein Abschritt des Briefes vom Apostel Paulus an die Römer zugrunde: „Liebe Gemeinde, warum bewegten uns Dinge in einem weit entfernten Land so sehr, dass wir diese Woche unentwegt auf das Fernsehbild mit den neuen Hochrechnungen starrten? Warum schreiben wir Menschen oder Institutionen besondere Eigenschaften zu und bewundern sie, und wenn Sie unsere Erwartungen nicht erfüllen, dann finden wir keine guten Worte für sie oder werfen sogar Brandsätze?

Menschen suchen in unsicheren Zeiten nach etwas, dass ihnen Halt gibt. Sie suchen nach einfachen Erklärungen für das Unüberschaubare und Schwierige, dass sie verstehen und beherrschen können wollen. Dass sie einordnen können und dass ihnen die Gewissheit gibt, „alles wird gut“. Dieses Streben ist Ausdruck der Sehnsucht nach Hoffnung. Destruktiv äußert sie sich darin, dass nach Verursachern, zumeist nach Sündenböcken gesucht wird.

Wenn die vorgeblich ausgemacht sind, dann müssen wir sie nur bekämpfen und dann wird alles wieder gut. So weit, so schlecht und schlicht. Konstruktiv äußert sie sich darin, dass wir nach den Ursachen suchen, sie analysieren, miteinander Lösungsansätze finden und diese dann anwenden und bestenfalls erleben, dass wir das Problem beherrschen, zumindest aber mit ihm leben können. Beide Ansätze können wir in unseren Tagen mehr oder minder trennscharf erleben – erst gestern wieder in Leipzig („Querdenkerdemo“). Beiden gemein ist die Tatsache, dass die Lösungsansätze vom Menschen ausgehen und damit im Wortsinn „beschränkt“ sind, will heißen, sich in den Schranken des menschlichen Verstandes bewegen.

Der Apostel Paulus weist uns heute auf eine Hoffnung hin, die uns zukommen will, die nicht in unserer Hand liegt. Hören wir unseren heutigen Predigttext aus Röm 8: „Denn wir sind gerettet auf Hoffnung hin. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld“.

Da ich dringend gebeten bin, eine kurze Predigt zu halten, will ich schlaglichtartig sieben Gedanken zu diesem Text und seiner Relevanz für uns heute äußern, denn ich halte dafür, dass der Apostel direkt in unsere Zeit spricht: Wir sind gerettet. Das ist nichts, was erst erreicht werden muss. Dass ist nichts, was wir aus unserer Kraft gewinnen könnten. Das ist nichts weiter als Gnade aus Glauben. Geschenkte Gnade. Unverdiente Gnade. Liebende Gnade.

Vor allem ist unsere Rettung schon eingetreten, unverdient, gratis. Sie steht nicht; erst noch aus. Sie ist (da). Durch unsere Taufe ist sie uns zeichenhaft und für unsere Sinne wahrnehmbar zugeeignet. Auf Hoffnung hin, d.h. die Hoffnung kommt uns von außen zu. Sie entsteht auch nicht dadurch, dass wir irgendwen, gleich ob irgendwelche Eliten oder einen Deep State, bekämpfen oder entlarven. Das sind Geister, die nicht loswird, wer sie ruft.

Und es ist definitiv nicht der Geist Gottes, des Schöpfers Himmels und der Erden. Wir werden Empfangende, d.h. wir müssen nicht aktiv werden um Hoffnung zu gewinnen, sondern uns darauf einlassen, dass uns Hoffnung von Gott zuteilwird.

Das ist eine klare Absage an Bewegungen, die sich für (menschlich) wissend halten und andere als „Gutmenschen“ oder „Schlafschafe“ bezeichnen und sich damit vor allem selbst nachhaltig entwürdigen.
- Uns wird verdeutlicht, dass diese Hoffnung nichts ist, was wir machen könnten. Vielmehr vermögen wir sie noch nicht einmal zu sehen. Sähen wir sie, verließen wir uns auf das, was vor Augen ist und machten uns an (von uns beherrschbaren) Dingen fest.

Doch nichts was vor Augen ist, kann uns die Not wendende Hoffnung geben. Paulus sagt sogar, dass uns nichts wirklich Hoffnung geben kann, was wir sehen. Das was uns für diese zu empfangende Hoffnung abverlangt wird, ist die Geduld. Nicht machen, sondern machen lassen. Noch klarer: bar jeder Einflussnahmemöglichkeit warten. Nicht Aktionismus, sondern Handeln in vertrauensvoller Offenheit. „Gefäß sein“ für die Quelle der Hoffnung, bis sie uns so angefüllt hat, dass wir überfließen und abgeben an andere.

Und das ist eine gute Handlungsempfehlung für diesen Tag und unser ganzes Leben:
  • Vertrauensvoll, auf Hoffnung hin, leben.
  • Bewusst empfangen und weitergeben, wie eine überlaufende Schale.
  • Abschied nehmen und neu beginnen. Hier und dort in dieser Gewissheit, dass wir gerettet sind auf Hoffnung hin. Hoffnungsvolle und „geliebte Gottes“.
  • Gewiss sein in ungewissen Zeiten, weil wir getragen und begleitet werden.
  • Sorgsam umeinander bemüht, unser Lachen hinter eine Maske verbergend, aber mit den Augen strahlend. Lächeln durch unser Denken, Reden und Tun. Damit jeder weiß: „Wir sind da. Gott ist da. Das genügt.“
  • Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes. Weder kleiner noch großer Abstand zwischen uns. Noch Sorge um unsere Gesundheit und unser Miteinander.
  • Wir sind mit der Taufe sein Eigen, um das ER sich sorgt, „denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“


Die Entlassung aus dem Dienst und Rückgabe des Superintendentenkreuzes vollzog Regionalbischof Dr. Christian Stawenow. In seiner Ansprache würdigte er das Wirken von Kristóf Bálint.

Im Anschluss, mit gebührendem Abstand, verabschiedeten sich die Gäste von Superintendent Kristóf Bálint. Wegen der besonderen Situation konnte es kein Zusammensein nach dem Gottesdienst geben, obwohl einiges geplant war.

Als „Trost“ lagen für jeden Gottesdienstbesucher einzeln verpackte Zwiebelkuchenstücke zum Mitnehmen bereit, davon wurde rege Gebrauch gemacht. Die Ära Bálint ist nun Geschichte, manches wird im Lauf der Zeit verblassen, anderes durch Nachfolger fortgeführt oder ausgebaut.
Peter Zimmer Bad Frankenhausen
Autor: emw

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