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Der Blick in die Glaskugel

Wir stehen besser da als 2009

Dienstag, 05. Januar 2021, 11:18 Uhr
2020 ist Geschichte und die Agentur für Arbeit blickt auf das Corona-Jahr zurück, auch im Vergleich zur letzten großen Krise im Jahr 2009. Vor allem die Kurzarbeit hat neue Dimensionen erreicht, insgesamt stehe man aber besser da als vor elf Jahren...



8.549 Arbeitslose waren Ende des Jahres in den drei nördlichsten Landkreisen gemeldet. Karsten Froböse, Chef der Nordhäuser Arbeitsagentur zieht Anfang Januar Bilanz: „Wir hatten rund 250 Arbeitslose im Dezember mehr, vergleicht man mit November. Mehr Arbeitslose im Winter, das ist saisontypisch und auch in diesem Jahr nicht anders.“ Die Wirtschaftskrise sei weiterhin spürbar. „Wir hatten fast 700 Arbeitslose mehr als im Dezember 2019.“ Die Arbeitslosenquote lag im letzten Monat bei 6,4 Prozent. Im Jahr zuvor betrug sie bei 5,9 Prozent.

Jahresrückblick 2020
Die Corona-Pandemie hat auch in Nordthüringen auf dem Arbeitsmarkt Spuren hinterlassen. Seit April stieg die Arbeitslosigkeit zum Vorjahr deutlich an. „Wir hatten in der Spitze im Juni rund zwanzig Prozent Arbeitslose mehr als vor einem Jahr.

Mit dem Ende des ersten Lockdowns und aufgrund der Konjunkturpakete konnte sich die Lage bis in den Herbst hinein entspannen“, beschreibt Karsten Froböse, Chef der Nordhäuser Arbeitsagentur, die Situation. „Der Anstieg der Arbeitslosigkeit trifft unsere Region.“ In anderen Arbeitsagenturbezirken, vor allem in den Großstädten und in Westdeutschland habe sich die Pandemie jedoch stärker auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt.

8.820 Personen waren im Jahresdurchschnitt 2020 arbeitslos, 9,5 Prozent mehr als 2019. Die Arbeitslosenquote stieg auf 6,6 Prozent. Das entspricht dem Niveau von 2017. Vom Anstieg der Arbeitslosigkeit waren vorrangig die Männer mit rund 5.000 Personen betroffen. Ihr Zuwachs zum Vorjahr betrug über 12 Prozent. Bei den 3.813 arbeitslosen Frauen fiel der Anstieg mit 6,2 Prozent deutlich niedriger aus. Grund dafür sei auch der wirtschaftliche Schwerpunkt der Region, der sich vor allem auf das verarbeitende Gewerbe konzentriere und eher von Männer dominiert sei, so Froböse. Neben der Metall-, Elektro-, und Stahlindustrie traf es vor allem den Bereich "Arbeitnehmerüberlassung", sprich ungelernte Arbeitskräfe in Zeitarbeitsfirmen. "Wer eine Ausbildung gemacht hat, hat nicht automatisch eine Garantie, von einer Krise nicht betroffen zu sein. Wer aber als ungelernter Arbeitnehmer das schnelle Einkommen sucht, seien es Deutsche oder Menschen aus dem Ausland, der kann sicher sein, das er oder sie in einer Krise wesentlich stärker betroffen sind.", erklärte Froböse am Vormittag, der längere Weg biete letztlich langfristig höhere Einkommen und mehr Sicherheit.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung rückläufig
Durch den Strukturwandel, die nachlassende Konjunktur, die Demografie und die Pandemie ging die Beschäftigung im vergangenen Jahr zurück. Zur Jahresmitte waren 83.830 Menschen in Nordthüringen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 2,7 Prozent weniger als im Juni 2019. Das Land Thüringen verzeichnete einen Beschäftigungsrückgang um 1,1 Prozent.

2020 – Höchststand bei Kurzarbeit
Noch nie wurden so viel Anträge auf Kurzarbeit gestellt, wie 2020. „Die Kurzarbeit hat den großen Druck genommen und höhere Arbeitslosigkeit verhindert“, so Froböse. Allein im Mai konnten in Nordthüringen fast 16.000 Arbeitsplätze durch Kurzarbeit gesichert werden. Im Februar, vor Corona, lag die Zahl bei knapp 300 Kurzarbeitern. Einen derartigen Anstieg der Kurzarbeit habe es in so kurzer Zeit und in dieser Höhe bislang noch nicht gegeben, so der Agenturchef. Die Kurzarbeiter-Quote stieg binnen drei Monaten auf fast zwanzig Prozent der Beschäftigten. Eine Situation, die mit der Finanzkrise 2009 nicht annähernd vergleichbar ist.

Damals zählte man im Jahresdurchschnitt rund 2.500 Beschäftigte in Kurzarbeit. Seit Corona waren durchschnittlich 11.000 Männer und Frauen in Kurzarbeit.

Im Vergleich zur Finanzkrise sind in der Pandemie mehr Branchen betroffen. "Während es in der Finanzkrise hauptsächlich das verarbeitende Gewerbe, insbesondere die Automobilindustrie traf, so sind es in der Corona-Krise nun auch Dienstleistungsbereiche, Handel, Gastronomie, Hotels, Tourismus und Kultureinrichtungen. Zudem sind viele dieser Betriebe zum erste Mal mit Kurzarbeit konfrontiert.", so der Nordhäuser Agenturchef.

Fachkräftenachfrage in Pflege und Gesundheit hoch
Die Fachkräftenachfrage war auch 2020 in Gesundheits- und Pflegebereichen, sowie in Teilen des verarbeitenden Gewerbes und im Handwerk hoch. „Ich denke vordergründig jetzt an das stark belastete Personal in Gesundheit und Pflege“, sagt Agenturchef Froböse. „Wir brauchen hier Fachkräfte nicht nur im Zuge der Corona-Krise, sondern auch um die Pflege der immer älter werdenden Gesellschaft zu sichern.“ Hinzu käme der Ersatzbedarf, weil Pflegekräfte selbst in Rente gehen.

Ausbildungsmarkt 2020 – Kein Corona-Jahrgang
Über 1.100 Ausbildungsbewerber konnten im vergangenen Jahr in eine Berufsausbildung vermittelt werden. „Es gab im letzten Jahr weniger abgeschlossene Ausbildungsverträge.“ Dennoch: Von einem Corona-Jahrgang könne man erfreulicherweise nicht sprechen. Das Jahr 2021 wird auf dem Ausbildungsmarkt eine Herausforderung, meint Karsten Froböse. „Aber es wird auch eine Zeit nach der Pandemie geben. Und erinnern wir uns: Vor Corona ging es um drei Themen. Fachkräftemangel, Weiterbildung, Nachwuchsgewinnung. Eine Ausbildung gibt zwar keine hundertprozentige Garantie, wenn es um Entlassungen in Krisenzeiten geht“, so Karsten Froböse. „Dennoch sind Menschen ohne Ausbildung doppelt betroffen.“ Sie würdenfrüher arbeitslos und fänden schwerer wieder einen neuen Job.
Die Berufsberatung unterstützt und berät, aktuell vorrangig per Videotelefonie, künftige Schulabgänger. Termine können bereits jetzt über die Schule oder unter 0800 45555 00 (kostenfrei) vereinbart werden.

2020 in den Landkreisen:

Arbeitslosigkeit unterschiedlich stark gestiegen
Im Landkreis Nordhausen überschritt die Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf wieder die 3000er Marke. Um 10,4 Prozent (+ 309) stieg die Zahl der Arbeitslosen 2020 im Vergleich zum Vorjahr. 3.293 Männer und Frau waren im Jahresdurchschnitt auf Jobsuche. Die Arbeitslosenquote lag bei 7,8 Prozent. Im Jahr zuvor lag sie bei glatt 7,0 Prozent.

Im Kyffhäuserkreis waren im vergangenen Jahr durchschnittlich 3.078 Personen ohne Arbeit. Das waren 2,9 Prozent (+ 88) Arbeitslose mehr als 2019. Der Landkreis hatte damit den geringsten Zuwachs in Nordthüringen. Die Arbeitslosenquote lag bei 8,2 Prozent. Im Vorjahr betrug sie 7,9 Prozent.

Der Landkreis Eichsfeld schrieb mit einem Plus an Arbeitslosen von 17,7 Prozent (+ 369) die höchste Steigerung im Jahresdurchschnitt. 2.449 Menschen waren ohne Arbeit. Die Arbeitslosenquote lag bei 4,5 Prozent, im Vorjahresvergleich um 0,6 Prozentpunkte höher.

Mehr arbeitslose Jugendliche 2020
Die Coronakrise und die damit verbundene Unsicherheit in der Wirtschaft hat sich insbesondere auf Berufsanfänger und junge Erwachsene ausgewirkt. Junge Menschen waren in diesem Jahr stärker vom Anstieg der Arbeitslosigkeit betroffen, als Ältere. Im Jahresdurchschnitt waren 751 jugendliche Arbeitslose durchschnittlich 2020 registriert, gegenüber dem Vorjahr fast 30 Prozent mehr. Die Arbeitslosenquote lag bei 7,5 Prozent. Vor einem Jahr betrug sie glatt 6,0 Prozent.

Finanzkrise und Corona-Pandemie unterscheiden sich
Betrachtet man nur den Arbeitsmarkt, dann waren in Nordthüringen die Rahmenbedingungen in der Finanzkrise 2009 deutlich ungünstiger. Die Beschäftigung war niedriger. Die Arbeitslosigkeit deutlich höher. Es gab viel mehr Entlassungen. Auch für die Jugendlichen war es damals erheblich schwieriger. Jetzt sind mehr Branchen betroffen. Kurzarbeit sichert viel stärker als damals die Beschäftigung.

Was kommt 2021?
„Ich gehe davon aus, dass die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr ähnlich hoch ausfallen wird, wie 2020“, sagt Froböse. „Maßgeblich dafür ist die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Dezember 2021. Kurzarbeitergeld stellt einen wichtigen Schutzschirm für die Wirtschaft und die Beschäftigten dar und verhindert einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit.“

Allerdings seien nicht nur die Folgen der Pandemie für die weitere Entwicklung ausschlaggebend. Der Strukturwandel, beispielsweise in der Automobilindustrie und die Demografie dürften die Entwicklung maßgeblich mit beeinflussen.

Der traditionelle "Blick in Glaskugel" fällt also verhalten optimistisch aus. "Wenn wir einen leichten Anstieg auf etwa 9.000 Arbeitslose erleben, dann ist es gut gelaufen. Schöner wäre natürlich, wenn darunter liegen würden. Und es gibt gute Gründe, zuversichtlich zu sein. Es war ein schweres Jahr aber wir haben gemeinsam viel bewältigt und wollen das auch weiterhin für die Menschen der Region tun. Es wird eine Zeit nach der Pandemie geben."

Die ausführliche Statistik findet sich wie gewohnt hier .

Bild von Sophie Janotta auf Pixabay
Autor: red

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