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Bahnstrecke Bad Frankenhausen – Bretleben

Es geht nur gemeinsam

Freitag, 25. Februar 2022, 20:07 Uhr
Alle an einem Tisch: Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Militär im gemeinsamen Austausch über den Sachstand im Projekt Reaktivierung der Bahnstrecke Bad Frankenhausen – Bretleben. (Foto: Versorgungsbataillon 131) Alle an einem Tisch: Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Militär im gemeinsamen Austausch über den Sachstand im Projekt Reaktivierung der Bahnstrecke Bad Frankenhausen – Bretleben. (Foto: Versorgungsbataillon 131)
Am Mittwoch empfingen das Panzerbataillon 393 und das Versorgungsbataillon 131 Vertreter aus Politik und Wirtschaft in der Kyffhäuser-Kaserne Bad Frankenhausen, um in dem Projekt Reaktivierung der Bahnstrecke Bad Frankenhausen – Bretleben im Gespräch zu bleiben und mögliche nächste Schritte zu erarbeiten...

2022 und noch immer fährt kein Zug nach Irgendwo im Kyffhäuser-Kreis. Nachdem vor sieben Jahren die Ausplanungen für eine Wiederaufnahme des Bahnverkehrs zwischen Bad Frankenhausen und Bretleben begonnen haben, wurde das Projekt im Jahr 2020 vorerst auf das Wartegleis verschoben. Die kalkulierten Kosten überstiegen die ursprünglichen Planungen in bedeutsamen Maße, die Antragsbearbeitung verzögerte sich und verlief nur langsam. Das Projekt um die Bahnstrecke Bad Frankenhausen – Bretleben berührt vielerlei Interessengemeinschaften – eine schnelle Lösungsfindung erleichtert dies nicht.

Um diesen Spagat trotz allem so gut es geht zu meistern, trafen sich am Mittwoch Wirtschaftsvertreter, Politiker der Region und des Bundes sowie Vertreter der Bundeswehr zu einem gemeinsamen Erfahrungsaustausch in der Kyffhäuser-Kaserne Bad Frankenhausen. „Das Ziel ist es, alle Interessenbereiche – das Land Thüringen, regionale Wirtschaftsvertreter, das Militär und Ausschussmitglieder auf Bundesebene – an einen Tisch zu bringen, die gegenseitigen Sichtweisen auszutauschen und für alle ein einheitliches Lagebild zu schaffen“, führt Oberstleutnant Sven Heidel, Kommandeur des Versorgungsbataillon 131 und Standortältester der Kyffhäuser-Kaserne, in das Treffen ein.

„Eine Entscheidung werden wir nicht treffen können, das passiert auf anderen Ebenen. Aber wir können ins Gespräch kommen und unsere Ergebnisse zur Beratung der Entscheidungsträger mitgeben.“ Die militärischen Verbände am Standort Bad Frankenhausen haben großes Interesse an der Reaktivierung des Bahnanschlusses der Garnisonsstadt. Die Möglichkeit zur Bahnverladung in direkter räumlicher Nähe zur Kyffhäuser-Kaserne ist ein elementarer Grundstock für eine schnelle und unkomplizierte Verlegung der Kräfte weltweit. Darüber hinaus sind die Truppenbewegungen, z.B. zur Bahnverladung nach Sondershausen, mittlerweile zu einer erheblichen Belastung für die Anwohner geworden. „Wir marschieren ja überwiegend nachts, 23 Uhr, 4 Uhr, damit wir den täglichen Verkehr nicht behindern. Das sorgt nachvollziehbarer Weise nicht unbedingt für Begeisterung“, erklärt Oberstleutnant Andy Weißenborn, Kommandeur des Panzerbataillons 393. Ein Bahnanschluss in nicht mal 2 Kilometern Entfernung zur Kaserne, ohne größere Verzahnung mit Wohngegenden, wäre also ideal.

Auch der Bürgermeister der Stadt Bad Frankenhausen, Matthias Strejc, bekräftigt die Wichtigkeit einer Wiederanbindung seiner Stadt an das Eisenbahnnetz. „Einerseits liegt uns als Garnisonsstadt sehr viel an einem dauerhaften Standorterhalt der Kyffhäuser-Kaserne. Eine Bahnanbindung ist dabei ein wichtiger Baustein. Darüber hinaus haben wir zwei Kurkliniken und als Tourismusstandort circa 36.000 Gäste pro Jahr. Etwa 40 % aller unserer Besucher kommen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Schon allein deswegen haben wir ein enormes Interesse an dem Projekt.“ Bedarf – steigend. Seine Stadt hat viel vor in den nächsten Jahren: der Neubau eines Ferienressorts und eines Hotels an der Therme, Modernisierungsmaßnahmen des Schiefen Turms, das Themenjahr 500 Jahre Bauernschlacht, die Bewerbung als Standort für die Landesgartenschau 2028 – von Klimawandel und Mobilitätswende ganz abgesehen. All diese Projekte leben von einer reibungslosen Infrastruktur. „Es geht jetzt nur noch, wenn alle Interessen gebündelt werden“, sagt Bürgermeister Strejc.

Zu diesen Interessen gehören auch die Bestrebungen der Mitteldeutschen Baustoffe GmbH. Die Auftragslast sei hoch, die Lieferungen erstrecken sich über das gesamte Bundesgebiet, führt Thomas Jung aus. Eine Mitnutzung der Bahnstrecke wäre für die Mitteldeutsche Baustoffe GmbH demnach eine echte Lastenreduktion. Um möglichst nah an das Kieswerk in Oldisleben heranzukommen, soll nach den vorliegenden Planungen auf Höhe Esperstedt eine Weiche installiert werden. „Potentielle Kunden, die von dieser neuen Infrastruktur Nutzen tragen, stehen seit Jahren in den Startlöchern, doch bislang mussten sie immer wieder vertröstet werden“, berichtet Thomas Jung.

Vertröstet – dieses Gefühl kennen auch die Planer des Projektes um Michael Polinski (Emch + Berger GmbH) sowie Georg Radke und Gerhard Curth (Deutsche Regionaleisenbahn GmbH). Die Emch + Berger GmbH wurde beauftragt, die Wiederaufnahme der Bahnstrecke Bad Frankenhausen – Bretleben zu prüfen und zu entwerfen. 2019 lagen die Entwürfe um die drei Bauabschnitte vor, das Projekt jedoch auf Eis. Gleichsam erging es dem Pächter der Bahnstrecke, der Deutschen Regionaleisenbahn GmbH. Nach Erhalt des Auftrages durch die Bundeswehr wurden alle Vorbereitungen zur Reaktivierung der Eisenbahnverbindung getroffen, dann erfolgte der Planungsstopp. „Nun hoffen wir, dass durch die Besprechung ein positiver Impuls gesetzt werden kann“, so Georg Radke. „Wir möchten einfach gern wissen, ob wir weiterplanen sollen und können, beziehungsweise wie es weitergeht“, schließt sich auch Michael Polinski an. Doch darauf haben im Moment weder die militärischen noch die Vertreter der Landes- und Bundespolitik eine Antwort. „Versprechen sind aktuell nicht möglich, aber wir wollen die Zipfel zusammenführen“, sagt der Vizepräsident des Thüringischen Landtages, Dirk Bergner (FDP).

Gemeinsam mit Gerald Ullrich (FDP und Mitglied des Deutschen Bundestages), William Schlosser (FDP im Thüringer Landtag) und Torsten Wilson (Stabsstelle Masterplan im Thüringischen Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft) wird er nun die vorgebrachten Motive und Interessen mitnehmen, auswerten und ins Gespräch bringen. Einfach werden die Verhandlungen nicht. „Die Kyffhäuserbahn ist nicht in der geltenden Bedarfsplanung für die Bundesschienenwege des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr enthalten. Nun geht es um die Frage nach dem zivilen Bedarf, denn die Bundeswehr baut weder Schienen noch Autobahnen – wir nutzen sie nur“, erklärt Oberst Georg Ludwig Oel, Kommandeur des Landeskommando Thüringen und der militärische Berater der thüringischen Landesregierung. 2020 wurde dafür die Arbeitsgemeinschaft Militäreisenbahngrundnetz ins Leben gerufen, „die Ausarbeitungen und Empfehlungen werden voraussichtlich Mitte 2022 vorliegen“, so Oberst Oel. Viele Fragen bleiben vorerst unbeantwortet, wie auch die Frage nach der Verteilung der Finanzierung. Nichtsdestotrotz hinterlässt das Treffen einen positiven Fußabdruck. Der erste Schritt zur Erhöhung der politischen Präsenz ist getan, ein gemeinsamer Kenntnisstand erreicht und der Austausch zwischen allen Interessenträgern hergestellt. Nun heißt es: abwarten und einen Tee im Bahnhofscafé trinken. Einige Weichen sind also gestellt, damit im Kyffhäuserkreis irgendwann wieder ein Zug nach Irgendwo fahren kann.
Autor: red

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