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Lesen ist das Fundament für Bildungserfolg

Lesekompetenz in Deutschland gesunken

Dienstag, 16. Mai 2023, 12:42 Uhr
Die Leseleistungen der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland sind seit 2016 gesunken. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld. Dies zeigen die Ergebnisse der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) 2021, die heute in Berlin vorgestellt wird. Weltweit haben sich insgesamt 65 Staaten und Regionen beteiligt...


Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
• Die mittlere Lesekompetenz der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland liegt bei 524 Punkten. Deutschland unterscheidet sich nicht signifikant vom Mittelwert der EU-Vergleichsgruppe (527 Punkte) oder der OECD-Vergleichsgruppe (527 Punkte).

• Die Leseleistungen in Deutschland sind gegenüber der ersten Erhebung vor 20 Jahren (2001: 539 Punkte) und gegenüber der letzten Erhebung (2016: 537 Punkte) signifikant gesunken. Auch hier unterscheidet sich Deutschland nicht signifikant vom europäischen Gesamttrend.

• Ein Viertel der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland erreicht nicht den Standard für eine Lesekompetenz, die für einen erfolgreichen Übergang vom Lesen lernen zum Lesen um zu lernen notwendig ist (mindestens Kompetenzstufe III). Mit 25,4 Prozent liegt der Anteil über den Werten von 2001 (17 Prozent) und 2016 (19 Prozent).

• Der Anteil der im Lesen leistungsstarken Schülerinnen und Schüler (Kompetenzstufe V) ist in Deutschland leicht auf 8,3 Prozent gesunken (2016: 11,1 Prozent; 2001: 8,6 Prozent).

• Die Heterogenität der Leseleistungen ist in Deutschland hoch. Sie hat in Deutschland seit 2001 zugenommen.

• Die Schulschließungen während der Corona-Pandemie haben erhebliche Auswirkungen auf die Leseleistung gehabt. Die bei IGLU 2021 in Deutschland beobachtete Lesekompetenz ist signifikant niedriger als es ohne COVID-19-Pandemie bei Fortführung des Trends zu erwarten gewesen wäre.

• Die Viertklässlerinnen und Viertklässler sind im Mittel mit ihrer Schule zufrieden und erleben sie als positiven Lernort.

Lehr- und Lernverhalten:
• Die meisten Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland verfügen über eine im internationalen Vergleich hohe Lesemotivation.

• 63 Prozent der Schülerinnen und Schüler lesen mindestens eine halbe Stunde täglich außerhalb der Schule. Dieser Anteil ist im internationalen Vergleich hoch (EU: 54 Prozent, OECD: 53 Prozent).

• In der Schule wird in Deutschland zu wenig gelesen. Im Durchschnitt werden in Deutschland pro Woche 141 Minuten Unterrichtszeit für Leseunterricht und/oder Leseaktivitäten verwendet (OECD: 205 Minuten; EU: 194 Minuten).

• Die Nutzungshäufigkeit digitaler Medien im Unterricht ist in Deutschland im internationalen Vergleich gering ausgeprägt.

Disparitäten:
• Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Lesekompetenzen zugunsten der Mädchen sind wieder auf dem Niveau von 2001.

• Die sozialen Disparitäten in der Lesekompetenz sind seit 20 Jahren unverändert. Die Viertklässlerinnen und Viertklässler aus sozioökonomisch benachteiligten Familien weisen nach wie vor starke Kompetenzrückstände auf, die im internationalen Vergleich hoch sind.

• Kinder, die zu Hause (fast) immer Deutsch sprechen, haben Kompetenzvorsprünge gegenüber Kindern, die zu Hause nur manchmal oder nie Deutsch sprechen. Der Kompetenzvorsprung ist in Deutschland stärker ausgeprägt als im EU- und OECD-Schnitt.

• Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland benötigen für eine Gymnasialpräferenz ihrer Lehrerkräfte eine deutlich höhere Lesekompetenz, wenn ihre Eltern einer niedrigeren Berufsklasse angehören. Kinder von un- oder angelernten Arbeitern benötigen für eine Gymnasialpräferenz eine Lesekompetenz von 575 Punkten während Kinder von Eltern einer oberen Berufsgruppe eine Lesekompetenz von 510 Punkte benötigen.

Hintergrund
Deutschland nimmt seit dem Jahr 2001 an der Progress in International Reading Literacy Study (PIRLS) bzw. der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) teil, die das Leseverständnis der Schülerinnen und Schüler, ihre Einstellung zum Lesen und ihre Lesegewohnheiten am Ende der vierten Jahrgangsstufe erfasst. PIRLS/IGLU wird in einem fünfjährigen Rhythmus durchgeführt. Die nächste Erhebung findet im Jahr 2026 statt.

Erstmalig wurden in diesem Zyklus die Lesekompetenzen auch digital gemessen. Dafür haben die Schülerinnen und Schüler Leseaufgaben an Laptops bearbeitet.

An PIRLS/IGLU 2021 haben insgesamt 65 Staaten und Regionen teilgenommen. In Deutschland wurden 4.611 Viertklässlerinnen und Viertklässler aus 252 vierten Klassen in die Untersuchung einbezogen.

Aufgrund der pandemiebedingten Beeinträchtigungen konnten nur 37 der teilnehmenden Staaten und Regionen – einschließlich Deutschland – ihre Erhebung wie ursprünglich geplant im Frühjahr 2021 (Welle 1) durchführen. Zur internationalen Einordnung der Ergebnisse Deutschlands werden die EU- und OECD-Mittelwerte daher nur für diese Vergleichsgruppe aus Welle 1 berechnet.

Auf internationaler Ebene ist die International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) Initiator und verantwortlich für die Organisation. In Deutschland wurde PIRLS/IGLU 2021 unter der wissenschaftlichen Leitung von Frau Prof. Dr. Nele McElvany, Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der Technischen Universität Dortmund durchgeführt.
Autor: psg

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