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Sa, 08:58 Uhr
04.03.2017
"Ratgeber Rechteck"

Ihre Rechte als Patient

Bluthochdruck, Diabetes, Rückenschmerzen, Vorsorgeuntersuchungen oder ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit: Jeden Tag suchen Millionen von Menschen in Deutschland Arztpraxen auf, um sich medizinisch ambulant versorgen zu lassen. Stationär werden bundesweit jährlich mehr als 20 Millionen Behandlungen durchgeführt...



Das Gesundheitssystem ist mit rund 300 Milliarden Euro ein Markt mit hohen Wachstumsraten. Das weckt Begehrlichkeiten und birgt die Gefahr, Gesundheitsversorgung mit dem Ziel der Gewinnmaximierung zu betreiben. Das Wohl der Patienten ist gefährdet, wenn Ärzte und Pflegende zu Dienstleistern, Patienten zu ihren Kunden und beide Seiten zu Marktteilnehmer in einem profitablen Gesundheitsmarkt degradiert werden. Dann verkommen Begriffe wie Qualitätsmanagement und Patientenrechte zur kosmetischen Kaschierung einer unheilvollen gesellschaftlichen Entwicklung.

Im Idealfall verfolgen sowohl Ärzte/Pflegende als auch Patienten das gleiche Ziel, nämlich den Heilerfolg. Dazu müssen gemeinsam Entscheidungen aus wohlbegründeten, medizinischen Erwägungen getroffen und erforderliche Maßnahmen frei von ökonomischen Zwängen durchgeführt werden.

Dieser für den Heilerfolg wichtige Aspekt der übereinstimmenden Interessenlage von Patienten und Behandler wird in der Diskussion über Patientenrechte leicht übersehen.

Grundlage: Der Behandlungsvertrag

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Als Vertragspartner verpflichten sich der/die zur Behandlung staatlich zugelassene Arzt/Zahnarzt, Psychotherapeut, Heilpraktiker oder Hebamme, den Patienten nach den für seine/ihre Fachgruppe allgemein anerkannten fachlichen Standards (Facharztstandard) - bei ambulanter Behandlung persönlich - zu behandeln, ohne zu einem Behandlungs- oder Heilerfolg verpflichtet zu sein.

Bis 2013 haben Gerichte die im Behandlungsvertrag begründeten Rechte und Pflichten festgelegt. Mit dem Patientenrechtegesetz wurden die Patientenrechte in einen eigenen Abschnitt (§§ 630 a bis 630h) in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) übernommen.

Umfassende Beratung vor Behandlungsbeginn

Der Behandelnde oder ein zur Behandlung befähigter Vertreter muss den Patienten umfassend und verständlich über Chancen und Risiken der vorgesehenen Behandlung mündlich aufklären. Bestehen mehrere Behandlungsmöglichkeiten, sind die jeweiligen Risiken und Heilungschancen zu erörtern und gegeneinander abzuwägen. Die Vorlage eines Aufklärungsbogens zur Unterschrift ohne Aufklärungsgespräch reicht nicht. Schriftliche Unterlagen dienen der Erläuterung im Aufklärungsgespräch, ersetzen es nicht.

Hat der Patient einen Aufklärungsbogen unterschrieben, muss ihm eine Kopie oder Durchschrift davon ausgehändigt werden. Bei Zweifeln an der Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung sind die voraussichtlichen Kosten der Behandlung schriftlich mitzuteilen. Das gilt entsprechend, wenn dem gesetzlich versicherten Patienten individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten werden. Hierzu ist ein schriftlicher Behandlungsvertrag erforderlich.
Ist dem Behandler ein Behandlungsfehler unterlaufen, hat er den Patienten auf dessen Nachfrage darüber wahrheitsgemäß zu unterrichten.

Einsicht in Patientenakte

Alle für die Behandlung wichtigen Informationen werden in der Patientenakte erfasst. Als Patient (oder dessen Erbe) sind Sie berechtigt, jederzeit die vollständigen Behandlungsunterlagen einzusehen, daraus Abschriften oder Kopien zu verlangen. Wollen sie eine Zweitmeinung eines anderen Arztes einholen, trägt die Krankenkasse die Kosten für die Zusammenstellung und Übermittlung der Befundunterlagen.

Rechte im Schadensfall

Die medizinische Versorgung ist als komplexes, hochtechnisiertes System, das auf Interaktion von Spezialisten angewiesen ist und einen hohen Organisationsaufwand erfordert, fehleranfällig. Die gesundheitlichen und finanziellen Folgen sind meist schwerwiegend: erforderliche Nachbehandlung, verzögerte Genesung, Schmerzen, dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen, zusätzliche Behandlungskosten, Verdienstausfall und im Todesfall Unterhaltsaufwendungen für Angehörige.

Der Arzt haftet für die Folgen eines nachgewiesenen Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers, wenn er bei der Behandlung des Patienten den für ihn geltenden „Facharztstandard“ missachtet und der Behandlungs- oder Aufklärungsfehler den Gesundheitsschaden verursacht hat.

Im Streitfall beurteilt der medizinische Sachverständige diese für die Ansprüche des Patienten entscheidenden Beweisfragen.

Bei einer fehlerhaften Behandlung im Krankenhaus oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) mit angestellten Ärzten haftet neben dem schadenverursachenden Arzt auch der Träger der Einrichtung. Er haftet aus eigenem Verschulden für die Folgen mangelhafter Organisation oder der personellen / sachlichen Ausstattung. Bei Schäden durch Verstöße gegen Hygienestandards, etwa des Robert Koch Instituts (RKI), kommt eine individuelle Haftung des Arztes in Betracht, wenn er die im Krankenhaus eingeführten Hygienestandards nicht eingehalten hat. Das Krankenhaus ist wegen Organisationsverschulden haftbar, wenn die aktuellen Hygieneempfehlungen der Kommission organisatorisch nicht umgesetzt wurden.

Die Beurteilung, ob im konkreten Schadenfall Ansprüche gegen den Verursacher bestehen und auf welchem Weg sie erfolgreich durchgesetzt werden, erfordert neben Spezialkenntnissen im Medizinrecht vor allem Prozesserfahrung in vergleichbaren Haftungsfällen. Deshalb gilt die Empfehlung:

Im Schadensfall unbedingt Beratung und Hilfe suchen

Das Angebot von Beratungsstellen reicht von gesetzlichen Krankenkassen, die ihren Medizinischen Dienst (MDK) zur medizinischen Beurteilung des Behandlungsfehlers einschalten, über unabhängige Patientenberatungen (UPD), bis zu Verbraucherzentralen und Selbsthilfeorganisationen.

Die Landesärztekammer Thüringen verweist auf das Angebot der Norddeutschen Schlichtungsstelle in Hannover.

Während sich eindeutige Fälle in direkten Verhandlungen mit der Berufshaftpflichtversicherung des Arztes bzw. mit der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses/MVZ regeln lassen, ist in streitigen Fällen Eile geboten, um eine Verschlechterung der Beweislage z.B. durch Korrektur der Fakten/Unterlagen zu verhindern. Deshalb habe ich meine Zweifel, ob man bei komplexen Fällen das öffentlich geförderte Beratungsangebot in Anspruch nehmen sollte, da die genannten Einrichtungen mit der Schrittgeschwindigkeit von Großorganisationen agieren.

Meine Empfehlungen für Sofortmaßnahmen im Schadensfall:
  • So schnell wie möglich die Behandlungsunterlagen (Patientenakte) vollständig herbeiziehen, sich die Vollständigkeit des abgelichteten Doppels bestätigen lassen,
  • Auch Nebenbefunde wie Laborwerte, Röntgenbilder, Anästhesieprotokolle ec. vollständig in Ablichtung/CD beschaffen,
  • vom Behandler bzw. dem Träger des Krankenhauses/MVZ Kontaktdaten der Versicherung/en anfordern,
  • unverzüglich den Schadensfall der Haftpflichtversicherung des Schädigers anzeigen
  • im Gegensatz zur ministeriellen Empfehlungen:
  • keinen direkten Kontakt mit dem behandelnden Arzt / Krankenhausleitung aufnehmen! Um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden werden Behandler keine (schuldeingestehende) Erklärungen abgeben
  • im Gegensatz zu Empfehlungen heißsporniger Berufskollegen: nur im extrem seltenen, im Verhalten des Schädigers begründeten Fällen Strafanzeige erstatten.
Dieser Schritt macht nur dann Sinn, wenn sich durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen die Beweislage verbessert, etwa weil vom Schädiger vorenthaltene entscheidungsrelevante Unterlagen nur auf diesem Weg ans Tageslicht befördert werden. Ergebnislose, in der Sache unbegründete Ermittlungen können durch Rufschädigung zum Ruin einer ärztlichen Existenz führen. Das kann nur in extremen Ausnahmefällen in Kauf genommen werden.
Manfred Werthern, Fachanwalt für Medizinrecht (03631 9795883) Bildquelle: sasint/pixabay
Autor: red

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