eic kyf msh nnz uhz tv nt
Mi, 09:34 Uhr
16.09.2020
ifo-Forschung

Treuhand verkaufte vor allem an den Westen

Bei der Privatisierung der ostdeutschen Unternehmen nach 1990 verkaufte die Treuhand produktivere Firmen häufiger und rascher und bekam dafür mehr Geld. Gleichzeitig übergab sie diese Unternehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit an westdeutsche Investoren. Zu diesem Ergebnis kamen jetzt Forscher des ifo-Instituts...

„Gerade produktive DDR-Firmen blieben seltener in ostdeutschem Eigentum“, schreiben ifo-Forscher Lukas Mergele, Moritz Hennicke (Freie Universität Brüssel) und Moritz Lubczyk (ZEW) in einer Studie, die sie jetzt im ifo Schnelldienst veröffentlichten.

Anzeige symplr
„Nach Abschluss der Haupttätigkeit der Treuhand 1995 fanden sich rund 51 Prozent der Firmen, 64 Prozent der Umsätze und 68 Prozent der Arbeitsplätze aus den in der Stichprobe analysierten DDR-Staatsunternehmen in mehrheitlich westdeutscher Hand“, fassen Mergele und Lubczyk zusammen. Je produktiver die Unternehmen, desto höher der Anteil von Westdeutschen unter den Eignern.

Die Forscher erklären dieses Ergebnis so: „Westdeutsche Investoren verfügten zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung über einen besseren Zugang zu Finanzkapital. Sie waren erfahrener in der Führung marktwirtschaftlich orientierter Unternehmen. Darüber hinaus waren sie im Verhältnis zu Investoren aus dem Osten Deutschlands wahrscheinlich auch wirtschaftlich und politisch besser vernetzt. Bei den von der Treuhand gesetzten Kriterien waren westdeutsche Investoren also als zukünftige Unternehmenseigentümer möglicherweise besser geeignet. Aber es bleibt die Umverteilung von Firmenbesitz von Ost nach West festzuhalten.“

Zu den Vorwürfen, die Treuhand habe produktive Unternehmen abgewickelt, schreiben die Forscher: „Es gab durchaus Schließungen von produktiven Firmen. Jedoch zeigen unsere Ergebnisse, dass produktivere Unternehmen seltener geschlossen wurden.“ Unter den am wenigsten produktiven Firmen hat die Treuhand weniger als 40 Prozent privatisiert. Unter den produktivsten stieg dieser Anteil auf über 70 Prozent.

Die Treuhand erreichte durchschnittlich für produktivere Unternehmen auch höhere Beschäftigungs- und Investitionszusagen, schreiben die Forscher weiter. Auf Grundlage der verfügbaren Daten lasse sich allerdings nicht ermitteln, dass die Treuhand in den Verhandlungen mit potenziellen Investoren das für die öffentliche Hand bestmögliche Ergebnis erzielt habe.

„Unternehmen mit höherer Produktivität am Anfang hatten auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, 20 Jahre nach Privatisierung noch wirtschaftlich aktiv zu sein“, sagen Lubczyk und Mergele.

Die Aussagen beruhen auf statistischen Auswertungen. Sie beschreiben Tendenzen im Durchschnitt über alle Firmen. „Eine Aussage über Privatisierungsentscheidungen von Einzelfirmen ist damit nicht möglich.“ Die Daten verfolgen Eigentümerschaften nur bis zum zweiten Grad. Eigentümerschaften sind nach Mehrheitsanteilen klassifiziert, Minderheitenpositionen sind darin nicht berücksichtigt. Die „kleinen Privatisierungen“ von Geschäften, Restaurants und Hotels, die größtenteils von Ostdeutschen erworben wurden, sind nicht den Daten enthalten.

Aufsatz: „Die Treuhandanstalt: eine empirische Bestandsaufnahme 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung“ von Moritz Hennicke (Université Libre de Bruxelles & Université de Cergy-Pontoise), Moritz Lubczyk (ZEW Mannheim & Universität Zürich) und Lukas Mergele (ifo Institut & Universität München); in: ifo Schnelldienst 9/ 2020;
nachzulesen hier: https://www.ifo.de/publikationen/ifo-schnelldienst
Autor: red

Kommentare
Bürger 0815
16.09.2020, 10.00 Uhr
Forscher ?
Für dieses Ergebnis braucht das Volk keine Forscher.
Das ist eigentlich Allgemeinwissen.
Dafür ist Geld da.
Wolfi65
16.09.2020, 11.56 Uhr
Es ist doch kein Geheimnis
Dass der reale Marktbeschissmus hier im Osten fast alles aufgekauft und danach für nicht überlebensfähig geschlossen hat.
Ein paar anders lautende Einzelfälle werden heute als Wunder der Wende verkauft.
s.k.
16.09.2020, 12.22 Uhr
Forscher...
Es ist doch immer wieder " interessant " zu lesen , wenn heutige " Forscher und Wissenschaftler " sich mit Ereignissen befassen , die sie oft nur aus Geschichtsbüchern und Berichten kennen ...und so ziemlich alles , was da so an neuen Erkenntnissen herausgefunden wird ... ist all den heutigen Bürgern , die das damals alles erlebt haben , doch schon lange bekannt und bewusst...die ehemalige DDR wurde komplett übernommen und in den Westen integriert...sehr vieles war ja so komplett am Boden ,dass nur der hilfreiche Westen helfen konnte...( Ironie aus )...aber auch die Forscher und Institute brauchen ja heute eine Daseinsberechnung...
HUKL
16.09.2020, 15.00 Uhr
Als aus dem "Osten" plötzlich "Westen" wurde......
Ohne das auch noch heute nicht ganz intakte Verhältnis zwischen uns Brüdern und Schwestern nach der Anpassung belasten und strapazieren zu wollen, braucht man tatsächlich keine Forschungsteams, die das Ganze auch nach 30 Jahren erneut beleuchten wollen!

Falls nicht selbst erlebt, dass spätestens am Tag der Währungs- und Sozialunion, 01.07.1990, die früheren „Volkseigenen Betriebe“, fast sämtlich neue Namen erhielten, die plötzlich zu Firmen oder GmbH`s wurden, haben doch in jüngster Vergangenheit genügend neutrale Dokumentationen bewiesen, dass sich die frühere „östliche Seite“ mehrheitlich lediglich im abgeschlagenen Hauptfeld befand, um danach auch noch gut schmeckende Früchte ernten zu können. Zu brav haben wir jahrelang mehr oder weniger unserem System gedient, sodass in der neuen BRD die Menschen mit Eigenschaften unterschiedlichster Art schnell die Nase vorn hatten und sich sogar dabei nicht unbedingt verbiegen mussten.

Oftmals staunten wir allerdings nicht schlecht, dass trotz vorhergehender schriftlichen Beschäftigungs- sowie Investitionszusagen unserer neuen westlichen Kameraden an die bei uns entstandenen Treuhandbüros, statt einem wieder erwachten pulsierende Treiben, plötzlich vor den zwischenzeitlich verlassenen Werktoren LKW`s postiert wurden, die die interessantesten Produktionsmittel abholten.......

Ganz einfach, so war es eben, als aus dem „Osten“ plötzlich „Westen“ wurde!
Herr Taft
16.09.2020, 15.18 Uhr
ja, es ging einfach zu schnell...
uns gelernten Ossis blieb keine Zeit uns schnell genug an die neuen Gegebenheiten anzupassen und bisherige VEBs auf Wirtschaftlichkeit zu trimmen - ohne Marktkenntnis, ohne Kunden, ohne KnowHow...

Und woran lag es ? Seien wir ehrlich: die Meisten wollten so schnell wie möglich die D-Mark und all die Dinge kaufen, die es zuvor in der DDR nicht gab. Absolut verständlich und nur allzu menschlich - nach all den Jahren des Mangels.

Einige hatten das erkannt und wollten ein langsames Zusammenwachsen - oder eine BRD 2.0 auf dem Gebiet der DDR. Leider fanden diese Stimmen kein Gehör und wurden einfach überrannt - das Ergebnis war die Abwicklung der nicht konkurrenzfähigen Ost-Wirtschaft.

Mit der Hilfe aus dem Westen und ein paar Jahrzehnten Zeit hätte das anders aussehen können - nur das wollte eben keiner damals...Wir im Osten hatten das in der Hand und haben es vergeigt.
DonaldT
16.09.2020, 16.43 Uhr
Treuhand verkaufte
..."Gleichzeitig übergab sie diese Unternehmen mit... höherer Wahrscheinlichkeit!"
Die wissen also gar nicht genau, ob verkauft oder übergeben wurde?
Hervorragende Forscher!
Wie RKI und Consorten, die wissen auch nur, dass sie eigentlich nichts wissen.
Aber dort wie bei der Treuhand - Entscheidung immer zuerst für Management buy out, fast nie buy in!
Und wo ist das Geld aus den Verkäufen? Sollte doch ans Volk (Ostvolk) ausgezahl werden!
w. s. Nordhausen
16.09.2020, 17.17 Uhr
Die Treuhandchefs sollten die Privatkonten überprüft werden.
Der Verkauf der DDR Betriebe durch die Treuhand wurde von vielen Manager der Treuhand durchgeführt. Man sollte jetzt mal die Privatkonten dieser Treuhandchefs überprüfen. Vor den Treuhandaktionen und heute bzw. nach Beendigung ihrer Tätigkeit. Das wäre bestimmt interessant.
W.S.
Schäfer
16.09.2020, 20.34 Uhr
Der Dritte Weg?
Im Herbst 89 war kaum einer bereit, die DDR, so wie sie war, zu erhalten. Der so genannte Dritte Weg, für den einige Intellektuelle plädierten, sah auf den ersten Blick schon ganz verlockend aus, er hatte nur einen Haken, das liebe Geld. Auf den Schildern der Montagsdemos stand: Kommt die D- Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehn wir zu ihr!
Zur Währungsunion gab es also keine Alternative. Die Wirtschaft der DDR war auf Kunden in Osteuropa gerichtet und das Inland. Diese Kunden sollten plötzlich in harter Währung bezahlen, die sie nicht hatten. Also ging die Kundschaft verloren. Die Treuhand hat sicherlich nicht den besten Kurs gefahren, aber woher sollte hier, vor einer solchen Aufgabe, Kenntnis und Erfahrung kommen? Wer sich noch erinnert, es war noch nie in solch kurzer Zeit eine ganze Volkswirtschaft umgestellt worden. Und bei allem Leid, es hätte schlimmer werden können!
Übrigens, ich bin ein alter Ossi und war gegen den Anschluss an die BRD, sondern für eine echte Vereinigung, das ist eigentlich das Ungute an dem ganzen Prozess, das wir übernommen wurden, ohne die Chance gehabt zu haben, Eigenes einzubringen.
Paul
16.09.2020, 21.32 Uhr
Schäfer...
Sie haben zum Teil Recht. Aber die DDR hätte mehr Zeit gebraucht, um sich wirtschaftlich um zu stellen. Und die gab man den Leuten nicht, es ging nur noch um eine schnelle Zusammenschließung - weiter nichts.
Die Leute die damals in Leipzig auf die Straße gegangen sind haben nicht nach der D-Mark gerufen und auch nicht nach der Grenzöffnung. Die DDR sollte vor Allem politisch und natürlich auch wirtschaftlich reformiert werden. Das hätte sicher eine Weile gedauert. Und vom Westen wären da auch sicher Kredite eingeräumt worden, diese Verhandlungen waren schon mehrfach von der BRD angestrebt worden, nur hat die Poltführung der DDR kein Interesse dafür gezeigt.
Möglichkeiten die DDR wirtschaftlich stabil an den Westen an zu schließen hätte es einige gegeben. Leider wurden alle in den Wind geschlagen. Hauptsache Westmark und die Welt bereisen, das war wichtiger. Nur mußten im Anschluß die vielen Arbeitslosen feststellen, daß das OHNE Geld genausowenig geht.
Herr Taft
17.09.2020, 00.07 Uhr
@Paul....genau !
der gelernte DDR-Bürger wusste, dass er nichts zu befürchten hat, solange er schön unter dem Radar der Obrigkeit bleibt....so lange hat er einen sicheren Job, ein sicheres Einkommen - dabei war es unerheblich ob er sich im Job den Popo xilomatisiert.

Im Rest der Welt (naja, im größten Teil davon) lief das anders - dort gab und gibt es keine Sicherheit durch Stillhalten. Dort war es - und ist es nun auch bei uns so, dass der gesichert ist, der auch was dafür tut. Das mussten wir erst lernen.

Nicht falsch verstehen, wir alle haben auch in der DDR fleißig gearbeitet...aber es fehlte der Antrieb. Mal ehrlich, wen hat schon der 5-Jahres-Plan interessiert, der ständig übererfüllt wurde...

Ich hatte eine schöne Zeit in der DDR, aber ich trauere ihr nicht nach - es war eine Scheinwelt in der wir lebten....eine riesengroße Lüge ! Es ist besser, das Leben in die eigene Hand zu nehmen als von irgendwelchen Betonköpfen fremdbestimmt zu sein.
Schäfer
17.09.2020, 12.08 Uhr
Oberlehrer
Nun, ganz so kuschelig war das ja nun auch wieder nicht. Es gab schon so einige Fallstricke und auch böse Ecken und Kanten, die mit SED und so weiter nichts zu tun hatten. Auch in der DDR war das allgemeine Lebensrisiko nicht ausgeschaltet. Das war und ist auch nicht das Thema. Die Treuhand ist von der Modrowregierung ins Leben gerufen worden und mangels Alternativen von Lothar dem Kleinen und dann von Helmut dem Großen nicht durch Besseres ersetzt worden. Einen Plan hatte damals weder die DDR- noch die BRD- Regierung. Ob es dann besser gelaufen währe, ist und bleibt Spekulation. Heute über dieses und jenes zu maulen, was damals unschön lief und noch heute zu spüren ist, kann an der Vergangenheit nichts mehr ändern. Und ein nächstes Mal wird es wohl kaum geben.
Wer in der Umbruchszeit abgestürzt ist, hat sich davon erholt, oder ist im sozialen Netz, so löchrig es auch war und ist, aufgefangen worden. In Osteuropa gab es dieses Netz nicht, und dort war der Zusammenbruch teilweise sehr schmerzlich für den Einzelnen. Nicht, das wir in Dankbarkeit erstarren sollten, aber Realismus bei der Betrachtung der Geschichte ist schon nötig. Einzelne schwarze Schafe unter den Treuhandmanagern ändern da nicht viel. Die gab und gibt es auch bei den Ostdeutschen (Günter Krause u. a.)
pseudonym
17.09.2020, 12.33 Uhr
30 Jahre später...
kann man den ganzen Beschiss durch die Treuhand natürlich rauskramen und aufarbeiten. Warum hat man das nicht gleich vor 20 oder 25 Jahren durch "Forscher" begleitet? Die Generation, die dieses industrielle Ausbluten betroffen hat und heftige Einschnitte in ihren Lebensentwürfen wie Pendeln, Umzüge und Heimat"verlust" mit z.T. Brüchen in Familie, Verwandtschaft und Bekanntschaft ertragen mussten, sind jetzt weitestgehend Rentner. Diese "verlorene" Lebenszeit kann niemand wieder gutmachen und die Verantwortlichen sind von der breiten Masse längst vergessen.
Jetzt braucht diese "Forschungs"ergebnisse niemand mehr.
Aber diese Methodik hat jahrzehntes System.

Genauso wird die Generation heute (zw. 25 und 50 Jahren) in 25-30 Jahren "Forschungs"ergebnisse zur verkorksten Energiewende, Corona, Migrations- und EU Kommunismus lesen. Und? Die Generation die heute darunter leidet wird dann auch nicht "entschädigt" werden sondern muss ihr Leben unter diesen Umständen bewältigen. Auch dann wird man die Verantwortlichen wieder vergessen haben und nicht mehr zur Rechenschaft ziehen (können).
Kommentare sind zu diesem Artikel nicht mehr möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr