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Di, 12:27 Uhr
07.05.2013

Junkfood-Werbung in Schulen und Kitas

Erste Stunde Mathe, zweite Stunde Capri Sonne: Obwohl in den meisten Bundesländern offiziell verboten, macht die Lebensmittelindustrie direkt in Schulen und Kitas Werbung für Junkfood-Marken und -produkte. Spezialisierte "Education Marketing"-Agenturen verteilen Produktproben mit Keksen oder Ketchup schon in Kindergärten und hängen Plakate mit Pizza-Duft in die Schulen...


Zahlreiche Hersteller treten mit Werbebannern als Sponsor bei Schulveranstaltungen auf, verbreiten kostenlose Schulhefte mit Markenlogos und suggestives Unterrichtsmaterial, in denen Schokolade und Soft Drinks als gesund dargestellt werden.

Besonders aggressive Marketingstrategien in Schulen hat die Verbraucherorganisation foodwatch für den Goldenen Windbeutel 2013 nominiert - wer den Preis für die dreisteste Werbemasche des Jahres bei einem Kinderprodukt erhält, darüber können die Verbraucher noch bis zum 15. Mai unter www.goldener-windbeutel.de abstimmen. Einer der fünf Kandidaten ist Capri-Sonne: In einer als Unterrichtsmappe für Grundschulen getarnten Werbebroschüre sortiert Hersteller Wild seinen zuckrigen Soft-Drink ganz unten in die Ernährungspyramide ein, verbunden mit der Empfehlung: "viel verzehren".

Die Ernährungsexperten des von der Bundesregierung geförderten aid Infodienstes dagegen zählen Capri-Sonne zur Kategorie "Extras" (Süßigkeiten) in der Spitze der Pyramide - Empfehlung: nur "sparsam verzehren". Bei einer Aufgabe für Schüler wird es als "richtig" bewertet, wenn man der Capri-Sonne die Eigenschaft "gut bei körperlicher und geistiger Aktivität" zuordnet.

Chips-Hersteller Funny-frisch hat seit 2003 an mehr als 1.700 Schulen Sportprojekte gefördert, verteilt werden an den Schulen unter anderem T-Shirts mit dem Funny-frisch-Logo. Die Funny-frisch-Marke Pom-Bär ist zudem Initiator des "Deutschen Vorlesepreises"; bei den bundesweiten Aktionen ist der Kinder-Snack mit Produkt-Maskottchen und Schriftzug präsent. Auch Pom-Bär steht unter www.goldener-windbeutel.de zur Wahl der dreistesten Werbemasche für ein Kinderprodukt.

"Völlig ungeniert bedrängt die Lebensmittelindustrie Kinder in Schulen und Kitas hinter dem Rücken der Eltern, möglichst viele Süßigkeiten, Snacks und Soft-Drinks zu konsumieren", sagt Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei der Verbraucherorganisation foodwatch. "Gerade in der Obhut staatlicher Lehrer und Erzieher müssen Kinder vor Vermarktungsinteressen geschützt werden - Schulen und Kindergärten müssen endlich werbe- und suggestionsfreie Räume werden."

foodwatch hat in einer Recherche zahlreiche weitere Beispiele für Werbeaktivitäten der Lebensmittelindustrie an Schulen und Kitas zusammengetragen - Auszüge daraus:
  • "Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Schokolade glücklich macht. Vielleicht hast du ja auch schon davon gehört", heißt es in Ritter Sports Unterrichtsmaterial - darin wird Schokolade als "ein Stückchen Energie" dargestellt, das "schmerzlindernd" und "gut für Herz und Kreislauf" sei. In den "Hinweisen zur Verwendung" für Lehrer heißt es: "Hierfür bitte in ausreichender Menge Schokoladenstückchen für die Schüler zur Verfügung stellen, am besten auf Servietten, um das Schmelzen bzw. ‚Schokoladenfinger‘ zu vermeiden."
  • Frühstücksflocken-Hersteller Kölln zeigt in seiner Schulmappe zahlreiche Produktabbildungen mit Firmen-Schriftzug - und eine "Leistungskurve", die nach dem Verzehr von (u.a.) Kölln-Flocken steil nach oben zeigt
  • Auch Kellogg's, Brandt Zwieback und Ferrero sind mit Bildungsmaterial oder Sponsoringaktivitäten samt Markenlogos an Schulen präsent
  • die Warsteiner-Brauerei ist bei Sponsoren-Läufen von Schulen präsent; bei einem Lauf mussten teilnehmende Kinder durch ein Warsteiner-Werbebanner ins Ziel laufen
  • Nestlé veranstaltete zumindest bis 2011 Schulwettbewerbe, bei denen u.a. Bildtermine mit ganzen Schulklassen vor Nestlé-Logos durchgeführt wurden.
Auch Nestlé ist mit den überzuckerten Kosmostars-Flocken Kandidat bei der Wahl der dreistesten Werbemasche des Jahres unter www.goldener-windbeutel.de. Dr. Oetker - mit dem "Fleckenpudding" Paula ebenfalls für den Goldenen Windbeutel 2013 nominiert - hat gegenüber foodwatch erklärt, seine mit Markenlogos und Paula-Kühen durchsetzten Arbeitsblätter für die 1. bis 3. Klasse künftig nicht länger zu verbreiten. Für andere Produkte macht Oetker in Mappen für Kindergärten und Grundschulen dagegen weiter direkt und indirekt Werbung.

Lebensmittelhersteller binden mit solchen Werbemaßnahmen an Schulen schon die kleinsten Kunden an sich, machen ihnen dabei vor allem Süßigkeiten, Snacks und Soft-Drinks schmackhaft - und stellen diese Form der Absatzförderung als "Engagement" für die Bildung dar. "Einerseits versucht die Lebensmittelindustrie mit den perfidesten Marketingmethoden und einem gigantischen Werbebudget alles, um Kindern möglichst viel Junkfood anzudrehen.

Andererseits inszenieren sich die Hersteller als verantwortungsvolle Unternehmen, indem sie Ernährungsbildung oder Sportförderung unterstützen", kritisiert Oliver Huizinga von foodwatch. "Solche Projekte dienen den Herstellern von Kinder-Junkfood als Feigenblatt: In der Debatte über Maßnahmen gegen das grassierende Übergewicht lenkt sie von der eigenen Verantwortung für ihre unausgewogenen Kinderprodukte ab, um eine wirksame Regulierung von Rezepturen und Werbemaßnahmen zu verhindern."

Unter Werbe-Agenturen hat sich "Education Marketing" bereits als eigener Geschäftszweig etabliert. Die Agentur Spread Blue etwa bewirbt ganz offensiv die Vorzüge der Werbung an Schulen und Kindertagesstätten: "Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem Sie die Kinder und junge Familien konzentrierter vorfinden oder ansprechen können. Schon im Vorschulalter beherrschen viele Sprösslinge ein erstaunliches Repertoire an Werbesprüchen und -melodien, und von diesen bleibt offensichtlich auch einiges hängen". Die Agentur bietet an, Postkarten oder Hefte mit Schokoladen- oder Pizzaduft an Schulen zu verbreiten. Konkurrent Blattwerkmedia rühmt sich, "zur Entlastung der Kindergartenkasse" Produktpakete mit Snacks, Fleischwürstchen oder Ketchup an Kitas verschickt zu haben.

Das komplette Faktenmaterial stellen wir als Download bereit
Autor: red

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Kommentare
Retupmoc
07.05.2013, 13.10 Uhr
Meiden
Artikel, die so beworben werden einfach meiden. Capri-Sonne schmeckt zum Beispiel wie der letzte Huf. Die haben Werbung echt nötig.
H.Buntfuß
07.05.2013, 15.18 Uhr
Politiker
Wozu haben wir eigentlich einen "Wirtschaftsminister", ist der Mann nicht in der Lage so etwas zu unterbinden.

Oder steht er auf der Gehaltsliste dieser Skrupellosen Wirtschaftsbosse?
Retupmoc
07.05.2013, 15.20 Uhr
Politiker2
Und wozu die Verbraucherministerin? Die Ressorts könnte man ABSCHAFFEN, ohne das man etwas davon merkt. Und der Staat spart die Diäten und wird schlanker.
98maschr
07.05.2013, 17.59 Uhr
Ich dachte immer...
dass die Eltern aussuchen was ihre Kinder trinken und verzehren. Wo bleibt da die Eigenverantwortung der Eltern wenn hier gleich nach einer politischen Maßnahme gerufen wird?
suedharzer
07.05.2013, 21.12 Uhr
die Wahrheit liegt in der Mitte
weder sind alle unsere Politiker blöd und gehören abgeschafft @retupmoc/Buntfuß (einfach mal wieder Quatsch), noch ist es einzig dem freien Willen der Eltern überlassen, was die Kinder essen, @machr. Die moderne Marketingmaschinerie überlistet viele unbeholfene Eltern. Außerdem sollen unsere Kinder zu Recht erzogen werden, verantwortungsvoll mit ihrem Taschengeld umzugehen. Da müssen der Staat und engagierte Organisationen wie diese zu Recht solchen Chemieverkäufern den Riegel vorschieben. Auch zum Wohle der Kinder von Eltern, die dieses Spiel nicht durchschauen.
Retupmoc
08.05.2013, 07.56 Uhr
Quatsch?
Es ist eben nicht nur den Eltern überlassen. Wenn bestimmte Firmen über die SCHULE für ihr Angebot werben, wissen das die ELTERN nicht einmal. So etwas gehört ganz einfach vom Staat verboten. Und an dieser Stelle springt Frau Aigner auf den Zug. Was macht diese Frau bzw. ihr Ministerium eigentlich. Jeden Monat gibt es einen neuen Lebensmittelskandal. Ob es das Pferdefleisch in Tiefkühlprodukten ist, BSE - verseuchtes Rinderhack oder krebserregender Multivitaminsaft. Wenn dann Hersteller den Kindern noch Zucker in seiner reinsten Vollkommenheit ins Pausenbrot schmieren, ist der Gipfel erreicht. Das eine Firma sofort aus Angest reagiert, unterstreicht das nur. Und ja - Suedharzer ich halte meine Behauptung aufrecht - solche Politiker brauchen wir nicht. Das Geld für die Bezahlung dieser Leute könnte man für unsere Kinder einsetzen. Zum Beispiel in einer besseren Schulspeisung. Gebt jedem Kind einfach jeden Tag einen Apfelzusätzlich zum normalen Essen.
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