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Mi, 06:00 Uhr
10.05.2017
Deutschland investiert zu wenig in Glasfaserausbau

Kriechspur statt Überholspur

Fast alle OECD-Staaten investieren in Glasfasernetze und bauen Überholspuren für ihre Datenautobahnen. Deutschland hingegen fährt immer noch auf der Kriechspur. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) Karlsruhe...



Unambitionierte Ziele, eine fehlende gesamtstaatliche Strategie, un-koordinierte Förderprogramme und fehlender Mut, konsequent auf Glasfasertechnologien zu setzen, sind die Hauptursachen für das Hinterherhinken Deutschlands beim Ausbau des Glasfasernetzes. Zu diesem Urteil kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Dabei macht das Ausland vor, wie es besser gehen könnte.

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„Der aktuelle Stand der Glasfaser-Versorgung ist nicht gut, aber das eigentliche Drama ist, dass der Aufholprozess durch politische Weichenstellungen unzu-reichend unterstützt wird“, sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Die meisten Länder investieren seit langem und systematisch in den Ausbau ihrer Glasfasernetze, denn eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur ist nicht nur unabdingbare Voraussetzung für wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt. Schnelles Internet ist auch Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und heute längst ein Grundbedürfnis. In Estland profitieren bereits 73 Prozent, in Schweden 56, in Spanien 53 und in der Schweiz immerhin 27 Prozent der Haushalte von direkt verfügbaren Glasfaserverbindungen. In Deutschland hin-gegen gilt das für lediglich 6,6 Prozent der Haushalte. Im ländlichen Bereich beträgt die Abdeckung mit Glasfaser-Leitungen gerade einmal 1,4 Prozent.

Zwar hat sich die Versorgung im mittleren Bandbreitenbereich in den zurückliegenden Jahren deutlich verbessert, allerdings hapert es bei den zukunftssicheren direkten Glasfaseranschlüssen. Die Studie konzentriert sich auf direkte Glasfaseranschlüsse, weil nur diese langfristig alle Anforderungen an Bandbreite, Stabilität und Qualität der Verbindungen erfüllen können. Ruckelnde Internet-Videos, stockende Uploads, ganze Gemeinden in ländlichen Regionen ohne Breit-bandanschluss – all das ist immer noch digitale Realität in Deutschland. Bei der Versorgung mit Glasfaseranschlüssen belegt Deutschland im OECD-Vergleich Platz 28 von 32.

Ursache für das Hinterherhinken Deutschlands sind insbesondere unambitionierte nationale Ziele. Die Europäische Union will bis 2020 jeden zweiten Verbraucher mit 100 Mbit/s schnellen Leitungen versorgen. Deutschland hat als Ziel lediglich 50 Mbit/s ausgegeben. Da 50 Mbit/s im Idealfall auch mit VDSL Vectoring erreicht werden können, müssen die Netzbetreiber nicht prioritär in Glasfasernetze investieren. Sie können bestehende Kupferleitungen weiter nutzen und müssen nur die Zuführungsstrecken aufrüsten. Ob es sich bei Vectoring um eine gerechtfertigte oder unnötige Brückentechnologie handelt, ist dabei umstritten.

„Im Ergebnis führt die Genehmigung der Vectoring-Strategie aber zu einem deutschen Sonderweg und verhindert einen konsequenten Glasfaser-Ausbau“, bemängelt Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung.

Ausländische Beispiele zeigen, wie es besser geht: In Estland und Schweden kümmern sich kommunale Versorger um den Glasfaseranschluss ihrer Bürger. Dabei wurde der Gedanke einer Daseinsvorsorge, ähnlich wie bei Energie und Wasser, auf den Breitbandanschluss übertragen. Die Schweiz hat Runde Tische eingerichtet, an denen unter staatlicher Moderation der Ausbau der Glasfasernetze koordiniert wird. Vielfach werden Glasfasernetze nach dem Open-Access-Network-Ansatz aufgebaut, das heißt das Netz wird in kommunaler Regie aufgebaut und dann von verschiedenen Anbietern gegen Entgelt genutzt. Weil keine kurzfristigen Profite erwirtschaftet werden müssen, entsteht Wettbewerb auf der Dienste-Ebene, während auf der Infrastrukturebene langfristig geplant werden kann.

Staat muss Breitbandausbau stärker in die Hand nehmen
Die Forscher des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) sehen Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen: Neben ambitionierteren nationalen Zielen sollten die aktuellen Ausbauaktivitäten besser koordiniert werden. Der Staat müsse alle Telekommunikationsdienstleister und Netzbetreiber an einen Tisch bringen. Ziel müsse es sein, Doppelverlegungen zu vermeiden und alle Regionen mit Glasfaser zu erschließen, auch die ländlichen Gebiete.
Eine große Chance sehen die Autoren der Studie auch in einer engeren Einbindung von Ländern und Kommunen und im Ausbau der Netze durch städtische Versorgungsbetriebe. „Allein schon die lokale Wirtschaftsförderung müsste daran ein herausragendes Interesse haben: Denn schnelles Internet ist für Firmen und Bürger ein entscheidender Standortfaktor“, sagt Bernd Beckert, Koordinator der Studie beim Fraunhofer ISI.
Autor: red

Kommentare
Andreas Dittmar
10.05.2017, 23.13 Uhr
totgespart und totreguliert
Der Staat hatte es auch mal bei uns in der Hand gehabt. Wenn man die Telekom nicht privatisiert hätte, dann hätte bestimmt jeder schon einen akzeptablen Breitbandanschluß gehabt. Viel Geld wurde in der Regulierung und dem damit verbundenen technischen Aufwand und Verwaltungsaufwand einfach verbrannt. Aus funktionierenden Strukturen wurden unlösbare Probleme gemacht. Wenn man die lokale Netzinfrastruktur den Kommunen überlassen hätte und die Fernnetze beim Bund verblieben wären hätte man die Infrastruktur koordiniert weiter ausbauen können. Vertrieb und Entwicklung von Produkten und Diensten für diese Übertragungswege kann man natürlich liberalisieren. Vorteile wären mögliche einheitliche Sicherheits und Übertragungsstandarts. Auch alternative Verlegeverfahren für neue Leitungen gemeinsam mit anderen Versorgungsträgern könnte man verwirklichen.
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