Sa, 11:44 Uhr
11.05.2019
kn-Forum
Frei von Abgasen und Verkehrslärm?
Glaubt man den Äußerungen der auf Initiative der Wählergemeinschaft Pro Frankenhausen gegründeten Bürgerinitiative Ortsumgehung Bad Frankenhausen, so wird mit einer Ortsumgehung alles besser. Das Gegenteil ist der Fall, so ein Bürger im kn-Forum., Hier seine Argumente...
Stichwort Verkehrsstärken
Im Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030 werden für Bad Frankenhausen lediglich mittlere Verkehrsstärken von 4.800 Kfz/24 h ausgewiesen. Die Prognoseverkehrsstärken weisen einen Anstieg von gerade einmal 4 % in den nächsten Jahren aus. Vergleicht man diese Zahlen mit anderen geplanten Ortsumgehungen im Thüringer Umland (z. Bsp. B247 OU Großengottern, 11.500 Kfz/24 h, Anstieg um über 80 % auf 21.100 Kfz/24 h, B4 OU Straußfurt, 10.950 Kfz/24 h, Anstieg um circa 25 % auf prognostizierte 13.500 Kfz/24 h), so stellt sich einem schon die Frage, wie es die Ortsumfahrung Bad Frankenhausen in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans schaffen konnte? Die 12,8 Mio. Euro Baukosten sind an anderer Stelle sicher sinnvoller eingesetzt.
Stichwort Schadstoffbilanz/Abgase
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich die Schadstoffbelastungen innerhalb einer Ortsdurchfahrt nach dem Bau einer Ortsumfahrung vermindern, jedoch die Gesamtemissionen der an Ortsdurchfahrt und Ortsumfahrung erzielten Abgaswerte steigen. Dies ist der Fall, da auf Ortsumgehungen höhere Geschwindigkeiten gefahren werden. Die prognostizierten Anstiege sind für Bad Frankenhausen ebenfalls im PRINS abrufbar:
Kohlendioxid (CO2) + 220,27 t pro Jahr
Kohlenmonoxid (CO) + 4,54 t pro Jahr
Kohlenwasserstoff (HC) + 100 kg pro Jahr
Stickoxid (NOX) + 90 kg pro Jahr
Schwefeldioxid (SO2) + 20 kg pro Jahr
Feinstaub (PM) + 10 kg pro Jahr
Dieses Mehr an Schadstoffbelastungen, das im Übrigen nicht am Ortseingangsschild Stopp macht, findet in den Ausführungen von Pro Frankenhausen keinerlei Erwähnung und es kommt die Frage auf, wie die Ortsumfahrung mit ihrer negativen Schadstoffbilanz zur langfristigen Sicherung des Kurstadtstatus beitragen soll?
Stichwort Lärmbelästigung
Eine Untersuchung von 70 Ortsumfahrungen durch das Institut für Verkehrswirtschaft, Straßenbauwesen und Städtebau der Universität Hannover hat ergeben, dass einer Entlastung der Ortsdurchfahrten eine Neuverlärmung durch die Ortsumgehung gegenübersteht. Demnach verringert eine Ortsumgehung generell die Anzahl der wesentlich Gestörten an der Ortsdurchfahrt, allerdings nicht mehr als 10 bis 20 %. Dies liegt zum einen am unterschätzten Binnenverkehr, also jene Fahrten, die ihren Ausgangspunkt oder ihr Ziel oder beides innerhalb der Ortslage haben. Zum anderen bleibt durch die südlich der Stadt verlaufende Ost-West-Umfahrung der Verkehr aus und in nördlicher Richtung (B85 aus und in Richtung Kelbra/Kyffhäuser) unbeeinflusst.
Im Projektinformationssystem werden für Bad Frankenhausen 942 Anwohner der Ortsdurchfahrt angegeben, die entlastet werden sollen. Setzt man hier die 20 % an, so werden entsprechend den Ergebnissen der besagten Studie weniger als 200 Einwohner tatsächlich vom Lärm entlastet. Demgegenüber stehen jedoch über 280 Einwohner, die neu belastet werden. Glaubt man den ersten Projektskizzen, dürfte es sich hierbei um Anwohner der Bahnhofstraße, des Seegaer Wegs sowie der Florian-Geyer-Siedlung handeln, da im Verlauf dieser Straßen die Zubringung zur Ortsumgehung aus dem Stadtzentrum erfolgen soll. Darüber hinaus sind die Florian-Geyer-Siedlung, der Bilzingslebener Weg sowie die Stadtrandsiedlung direkt vom Lärm der vorbeiführenden Ortsumfahrung betroffen. Unterm Strich muss eine negative Lärmbilanz konstatiert werden.
Stichwort Verkehrssicherheit
In der Pressemitteilung der Bürgerinitiative wird von einem Gewinn an Verkehrssicherheit für die Einwohner und Gäste gesprochen. Tatsächlich wird die Ortsdurchfahrt in Bezug auf das Unfallgeschehen entlastet. Allerdings ist die Unfallentwicklung auf der Ortsumgehung demgegenüber derart negativ, dass ein Gesamtvergleich keinerlei positive Ergebnisse mehr zeigt. Eine Dissertation, die die Ortsumgehungen in Nordrhein-Westfalen beleuchtet, hat ergeben, dass das Unfallgeschehen auf den Ortsumgehungen weniger durch extrem hohe Unfallzahlen bestimmt wird, sondern vielmehr durch Unfälle mit sehr schweren Unfallfolgen, d. h. mit vielen Toten und Schwerverletzten.
An dieser Stelle sei auch an die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren gedacht, die bereits jetzt hinsichtlich der Anzahl an Einsätzen an der Belastungsgrenze sind.
Stichwort Naturpark Kyffhäuser
Durch die geplante Ortsumfahrung kommt es zu einer massiven Beeinträchtigung des Naturparks Kyffhäuser, der durch seine einzigartige Landschaft und große Artenvielfalt besticht. 20,6 ha des Naturparks sollen der Baumaßnahme zum Opfer fallen, 37,6 ha des Naturparks werden direkt in Folge von Bodenversiegelung, Lärm und Schadstoffen beeinträchtigt. Der Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030 schätzt daher die Umweltbetroffenheit mit mittel und die Flächeninanspruchnahme mit hoch ein.
Stichwort Handel und Gewerbe
Verkehr in einer Stadt stellt nicht ausschließlich und per se ein Problem dar, sondern ist immer auch als eines der vitalen Elemente zu begreifen, von dem auch der Einzelhandel profitiert. Erhebungen an wissenschaftlichen Einrichtungen haben gezeigt, dass eine Vielzahl von Einzelhändlern einen großen Kundenkreis in Spontankäufern sieht und somit dem Risiko ausgesetzt sind, diesen Kundenkreis durch den Bau einer Ortsumgehungsstraße zu verlieren. Die Umsatzerwartungen ohne Ortsumgehungsstraße lagen dabei immer höher, während dagegen der Bau einer Ortsumgehungsstraße sinkende Tendenzen im Umsatz seitens der Einzelhändler erwarten lässt.
US-amerikanische Untersuchungen haben darüber hinaus ergeben, dass es zwei große Verlierer nach dem Bau von Ortsumfahrungen gibt: Gastronomiebetriebe und Tankstellen. Vertreter beider Sparten liegen in Bad Frankenhausen unmittelbar an der Ortsdurchfahrt!
Fazit
Eine Ortsumfahrung ist nur dann akzeptabel, wenn sich die örtliche Situation tatsächlich verbessert, wenn sie allen Einwohnern einer Stadt sowie der Umwelt nützt, ohne die negativen Auswirkungen des Straßenverkehrs auf andere Teile der Stadt oder die umgebende Landschaft zu verlagern. All dies ist für die geplante Ortsumgehung von Bad Frankenhausen nicht der Fall. Vielmehr bedarf es wirksamer und umweltverträglicher Alternativen, die von Politik und Verwaltung entwickelt werden müssen (z. Bsp. Verbesserung des ÖPNV, Schaffung eines Bürgerbusses, Konzepte zur Verkehrsberuhigung und Verkehrslenkung, Ausbau des Rad- und Fußwegenetzes, Vermeidung von Bequemlichkeits- und Mehrfachfahrten, usw.).
Marco Riese
Bad Frankenhausen
Hier der Link zum Ausgangsartikel:
Für eine saubere Kurstadt...
Autor: khhStichwort Verkehrsstärken
Im Projektinformationssystem (PRINS) zum Bundesverkehrswegeplan 2030 werden für Bad Frankenhausen lediglich mittlere Verkehrsstärken von 4.800 Kfz/24 h ausgewiesen. Die Prognoseverkehrsstärken weisen einen Anstieg von gerade einmal 4 % in den nächsten Jahren aus. Vergleicht man diese Zahlen mit anderen geplanten Ortsumgehungen im Thüringer Umland (z. Bsp. B247 OU Großengottern, 11.500 Kfz/24 h, Anstieg um über 80 % auf 21.100 Kfz/24 h, B4 OU Straußfurt, 10.950 Kfz/24 h, Anstieg um circa 25 % auf prognostizierte 13.500 Kfz/24 h), so stellt sich einem schon die Frage, wie es die Ortsumfahrung Bad Frankenhausen in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans schaffen konnte? Die 12,8 Mio. Euro Baukosten sind an anderer Stelle sicher sinnvoller eingesetzt.
Stichwort Schadstoffbilanz/Abgase
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich die Schadstoffbelastungen innerhalb einer Ortsdurchfahrt nach dem Bau einer Ortsumfahrung vermindern, jedoch die Gesamtemissionen der an Ortsdurchfahrt und Ortsumfahrung erzielten Abgaswerte steigen. Dies ist der Fall, da auf Ortsumgehungen höhere Geschwindigkeiten gefahren werden. Die prognostizierten Anstiege sind für Bad Frankenhausen ebenfalls im PRINS abrufbar:
Kohlendioxid (CO2) + 220,27 t pro Jahr
Kohlenmonoxid (CO) + 4,54 t pro Jahr
Kohlenwasserstoff (HC) + 100 kg pro Jahr
Stickoxid (NOX) + 90 kg pro Jahr
Schwefeldioxid (SO2) + 20 kg pro Jahr
Feinstaub (PM) + 10 kg pro Jahr
Dieses Mehr an Schadstoffbelastungen, das im Übrigen nicht am Ortseingangsschild Stopp macht, findet in den Ausführungen von Pro Frankenhausen keinerlei Erwähnung und es kommt die Frage auf, wie die Ortsumfahrung mit ihrer negativen Schadstoffbilanz zur langfristigen Sicherung des Kurstadtstatus beitragen soll?
Stichwort Lärmbelästigung
Eine Untersuchung von 70 Ortsumfahrungen durch das Institut für Verkehrswirtschaft, Straßenbauwesen und Städtebau der Universität Hannover hat ergeben, dass einer Entlastung der Ortsdurchfahrten eine Neuverlärmung durch die Ortsumgehung gegenübersteht. Demnach verringert eine Ortsumgehung generell die Anzahl der wesentlich Gestörten an der Ortsdurchfahrt, allerdings nicht mehr als 10 bis 20 %. Dies liegt zum einen am unterschätzten Binnenverkehr, also jene Fahrten, die ihren Ausgangspunkt oder ihr Ziel oder beides innerhalb der Ortslage haben. Zum anderen bleibt durch die südlich der Stadt verlaufende Ost-West-Umfahrung der Verkehr aus und in nördlicher Richtung (B85 aus und in Richtung Kelbra/Kyffhäuser) unbeeinflusst.
Im Projektinformationssystem werden für Bad Frankenhausen 942 Anwohner der Ortsdurchfahrt angegeben, die entlastet werden sollen. Setzt man hier die 20 % an, so werden entsprechend den Ergebnissen der besagten Studie weniger als 200 Einwohner tatsächlich vom Lärm entlastet. Demgegenüber stehen jedoch über 280 Einwohner, die neu belastet werden. Glaubt man den ersten Projektskizzen, dürfte es sich hierbei um Anwohner der Bahnhofstraße, des Seegaer Wegs sowie der Florian-Geyer-Siedlung handeln, da im Verlauf dieser Straßen die Zubringung zur Ortsumgehung aus dem Stadtzentrum erfolgen soll. Darüber hinaus sind die Florian-Geyer-Siedlung, der Bilzingslebener Weg sowie die Stadtrandsiedlung direkt vom Lärm der vorbeiführenden Ortsumfahrung betroffen. Unterm Strich muss eine negative Lärmbilanz konstatiert werden.
Stichwort Verkehrssicherheit
In der Pressemitteilung der Bürgerinitiative wird von einem Gewinn an Verkehrssicherheit für die Einwohner und Gäste gesprochen. Tatsächlich wird die Ortsdurchfahrt in Bezug auf das Unfallgeschehen entlastet. Allerdings ist die Unfallentwicklung auf der Ortsumgehung demgegenüber derart negativ, dass ein Gesamtvergleich keinerlei positive Ergebnisse mehr zeigt. Eine Dissertation, die die Ortsumgehungen in Nordrhein-Westfalen beleuchtet, hat ergeben, dass das Unfallgeschehen auf den Ortsumgehungen weniger durch extrem hohe Unfallzahlen bestimmt wird, sondern vielmehr durch Unfälle mit sehr schweren Unfallfolgen, d. h. mit vielen Toten und Schwerverletzten.
An dieser Stelle sei auch an die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren gedacht, die bereits jetzt hinsichtlich der Anzahl an Einsätzen an der Belastungsgrenze sind.
Stichwort Naturpark Kyffhäuser
Durch die geplante Ortsumfahrung kommt es zu einer massiven Beeinträchtigung des Naturparks Kyffhäuser, der durch seine einzigartige Landschaft und große Artenvielfalt besticht. 20,6 ha des Naturparks sollen der Baumaßnahme zum Opfer fallen, 37,6 ha des Naturparks werden direkt in Folge von Bodenversiegelung, Lärm und Schadstoffen beeinträchtigt. Der Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan 2030 schätzt daher die Umweltbetroffenheit mit mittel und die Flächeninanspruchnahme mit hoch ein.
Stichwort Handel und Gewerbe
Verkehr in einer Stadt stellt nicht ausschließlich und per se ein Problem dar, sondern ist immer auch als eines der vitalen Elemente zu begreifen, von dem auch der Einzelhandel profitiert. Erhebungen an wissenschaftlichen Einrichtungen haben gezeigt, dass eine Vielzahl von Einzelhändlern einen großen Kundenkreis in Spontankäufern sieht und somit dem Risiko ausgesetzt sind, diesen Kundenkreis durch den Bau einer Ortsumgehungsstraße zu verlieren. Die Umsatzerwartungen ohne Ortsumgehungsstraße lagen dabei immer höher, während dagegen der Bau einer Ortsumgehungsstraße sinkende Tendenzen im Umsatz seitens der Einzelhändler erwarten lässt.
US-amerikanische Untersuchungen haben darüber hinaus ergeben, dass es zwei große Verlierer nach dem Bau von Ortsumfahrungen gibt: Gastronomiebetriebe und Tankstellen. Vertreter beider Sparten liegen in Bad Frankenhausen unmittelbar an der Ortsdurchfahrt!
Fazit
Eine Ortsumfahrung ist nur dann akzeptabel, wenn sich die örtliche Situation tatsächlich verbessert, wenn sie allen Einwohnern einer Stadt sowie der Umwelt nützt, ohne die negativen Auswirkungen des Straßenverkehrs auf andere Teile der Stadt oder die umgebende Landschaft zu verlagern. All dies ist für die geplante Ortsumgehung von Bad Frankenhausen nicht der Fall. Vielmehr bedarf es wirksamer und umweltverträglicher Alternativen, die von Politik und Verwaltung entwickelt werden müssen (z. Bsp. Verbesserung des ÖPNV, Schaffung eines Bürgerbusses, Konzepte zur Verkehrsberuhigung und Verkehrslenkung, Ausbau des Rad- und Fußwegenetzes, Vermeidung von Bequemlichkeits- und Mehrfachfahrten, usw.).
Marco Riese
Bad Frankenhausen
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Anmerkung der Redaktion:
Die im Forum dargestellten Äußerungen und Meinungen sind nicht unbedingt mit denen der Redaktion identisch. Für den Inhalt ist der Verfasser verantwortlich. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.
Die im Forum dargestellten Äußerungen und Meinungen sind nicht unbedingt mit denen der Redaktion identisch. Für den Inhalt ist der Verfasser verantwortlich. Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor.
Kommentare
Kobold2
11.05.2019, 19.05 Uhr
Endlich
mal jemand, der die Notwendigkeit eines Rafwegenetzes zur Sprache bringt.
Bravo!
Bravo!
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Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
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